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Den Löwen Zum Frass

Den Löwen Zum Frass

Titel: Den Löwen Zum Frass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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während sie durch die Straßen wirbelten. Das heilige Abbild der Göttin, eine silberne Statue, deren Kopf mystisch durch einen großen schwarzen Stein vom Pessinus dargestellt war, wurde zum Tiber getragen und gewaschen. Die Opfergefäße wurden ebenfalls gesäubert und unter Schauern von Rosenblättern zurückgetragen.
    Gleichzeitig zu den Prozessionen fand eine geheime Frauenorgie statt, berühmt wegen ihrer absolut bacchischen Szenen. Frauen, die es hätten besser wissen müssen, versuchten die alten Traditionen wieder zu beleben, doch unter der neuen flavischen Stimmung des Anstandes kämpften sie dabei auf verlorenem Posten. »Ich kann dir versichern«, beteuerte Helena ernst, »dass nach Ausschluss der Männer nur noch Pfefferminztee getrunken und getratscht wird.« Dann behauptete sie, die Gerüchte über wilde Ausschweifungen seien nur Bauernfängerei, um die Männer zu beunruhigen, und ich glaubte ihr natürlich.
    Die Spiele begannen drei Tage nach den Kalenden des April. Wieder führte eine Prozession das heilige Abbild in einem Triumphwagen durch die Straßen, die Priester des Kultes sangen griechische Hymnen und sammelten Münzen von der Bevölkerung ein. (Stets sehr praktisch für alle, die ungültiges und ausländisches Kleingeld loswerden wollten.) Der Oberpriester spielte dabei eine prominente Rolle. Angeblich war er ein Eunuch, trug daher ein purpurrotes Kleid, einen Schleier, lange Haare unter einem exotischen spitzen Turban und Ohrenklappen, Halsketten und ein Bild der Göttin auf der Brust und hatte einen Obstkorb in der Hand, der Überfluss symbolisieren sollte, dazu ein Bündel Zimbeln und Flöten. Lautes, alarmierendes Getute aus den Gehäusen von Meerschnecken begleitete die Prozession. Das alles war furchtbar exotisch, ein düsterer Kult, der aus der Stadt hätte verbannt werden sollen, aber jenen, die glauben wollten, dass der trojanische Aenaeas Rom gegründet und auf dem Berg Ida das Holz für seine Schiffe geschlagen hatte, galt die Große Idaei- sche Mutter als mystische Mutter unserer Rasse; Ky- bele würde sich nicht vertreiben lassen. Man konnte es als wesentlich respektabler betrachten, als von einem mörderischen Zwillingspaar abzustammen, das von einer Wölfin gesäugt worden war.
    Sobald die Spiele begannen, mussten wir mehrere Tage ernsthafter Dramen in den Theatern über uns ergehen lassen. Dann fanden die Wagenrennen im Circus Maximus statt, mit der Statue der Kybele auf der Spina neben dem mittleren Obelisken. Man hatte sie in feierlicher Prozession in einer Sänfte auf einem von zahmen Löwen gezogenen Streitwagen hierher gebracht. Das hatte mich deprimiert, weil ich an Le- onidas denken musste.
    Als die Rennen begannen, war ich in einer seltsam abwesenden Stimmung. Die exotischen Rituale der Ludi Megalensis hatten diese Stimmung noch verstärkt. Normalerweise ging ich solchen Festivitäten aus dem Weg, aber diesmal beteiligte ich mich an der allgemeinen Glotzerei, wenn auch mit trüber Laune. Das hier war Rom. Neben den archaischen Mysterien der Religion blühten immer noch viele finstere Traditionen: ungerechte Patronage, gnadenlose Überheblichkeit der so genannten besseren Gesellschaft und der rücksichtslose Kult, das Streben des kleinen Mannes zunichte zu machen. Nichts würde sich je ändern.
    Es war eine Erleichterung, als die Rennen und die Gladiatorenauftritte begannen. Der erste zeremonielle Start, bei dem der Schirmherr der Spiele, angetan mit der Triumphuniform, die Teilnehmenden durch das Haupttor des Circus Maximus führt, war immer viel lebendiger als der Rest der sommerlichen Auftritte. Er kündigte ein neues Erwachen an. Der
    Winter war vorüber. Die Prozession stapfte über einen Teppich aus Frühlingsblumen. Die offenen Theater und Arenen würden wieder voller Leben sein. In den Straßen würden sich bei Tag und Nacht die Menschen tummeln. Alle würden über die Wettkämpfe reden. Der Zusatzhandel würde blühen - Imbissverkäufer, Buchmacher, Prostitutierte. Und es gab immer die Chance, dass die Blauen die Grünen von der Rennbahn fegten und gewannen.
    Tatsächlich war einer der Lichtpunkte meines Lebens in diesem April, dass meine Mannschaft Siege errang. Was stets den wunderbaren Nebeneffekt hatte, dass bei jeder Niederlage ihrer Erzrivalen, der Grünen, mein Schwager Famia aus der Fassung geriet. In diesem Frühjahr brachten die Grünen nur lausige Gespanne auf die Bahn. Selbst die großen kappadokischen Grauen, mit denen Famia an dem Tag, als die

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