Den Löwen Zum Frass
einzuklinken. Die Händler aus der Cyrenaika mochten sich zwar an ihr uraltes Monopol geklammert haben, aber sie hatten offensichtlich nicht mit meiner Familie gerechnet.
»Er wäre stinkreich geworden, wenn er das geschafft hätte.«
»Reich und bekloppt«, sagte Mama.
»Hat er sich Samen besorgt?«
»Nein, er hat irgendwo einen Ableger geklaut.«
»Er war in der Cyrenaika? Davon hab ich nie was gehört.«
»Wir glaubten alle, er hätte eine Freundin in Pto- lomais. Was Sacro aber nie zugegeben hat.«
»Schmutziger alter Gauner! Doch er kann sich nicht viel Hoffnung auf eine reiche Ernte gemacht haben.«
»Na ja, dein Großvater und sein Bruder sind immer Mythen nachgejagt.« Mama sagte das so, als wäre Großvater für einige meiner Charakterzüge verantwortlich.
»Hat ihnen niemand gesagt, dass sich Silphion nicht züchten lässt?«
»Klar wussten sie das. Sie dachten aber, es sei einen Versuch wert.«
»Also ist Großonkel Sacro wie ein übergewichtiger, etwas tauber Argonaut losgesegelt? Entschlossen, die Gärten der Hesperiden zu plündern? Aber Silphion wächst in den Bergen - und unsere Handelsgärtnerei liegt nicht auf einem Hügel in Kyrene! Ist es Sacro je gelungen, die richtigen Bedingungen zu schaffen?«
»Was glaubst du wohl?«, erwiderte Mama.
Sie wechselte das Thema und pfiff mich jetzt an, weil ich ein Büro in den Saepta Julia gemietet hatte, zu nahe an Papas Einflussbereich. Anacrites hatte ihr offenbar weisgemacht, es sei meine Idee gewesen, nicht seine. Er war ein schamloser Lügner. Ich versuchte ihn vor Mama bloßzustellen, aber die warf mir nur vor, ich würde ihren kostbaren Anacrites anschwärzen.
Es bestand wenig Gefahr, dass Papa meine Loyalität untergrub. Wir begegneten uns fast nie, was mir nur recht war. Da wir uns voll in die Arbeit stürzten, waren Anacrites und ich in den Monaten nach dem Jahreswechsel selten in unserem Büro. Ich war auch nur selten zu Hause. Das kam mich hart an. Die langen Arbeitsstunden forderten ihren Tribut von uns und auch von Helena. War ich bei ihr, dann war ich zu müde, um viel zu sagen oder zu tun, selbst im Bett. Manchmal schlief ich beim Essen ein. Einmal liebten wir uns. (Nur einmal, wirklich!) Wie jedes junge Paar, das sich zu etablieren versucht, sagten wir uns, unsere Mühe würde belohnt werden, während es die ganze Zeit nur langsam bergab ging. Wir hatten das Gefühl, der Plackerei nie entkommen zu können. Unsere Beziehung war einer zu großen Belastung ausgesetzt, da wir sie doch gerade jetzt am meisten hätten genießen sollen. Ich wurde übellaunig; Helena war völlig fertig; das Baby brüllte nur noch.
Selbst die Hündin gab mir ihre Meinung kund. Sie verkroch sich unter dem Tisch und weigerte sich, rauszukommen, wenn ich zu Hause war.
»Danke, Nux.«
Sie winselte trübselig.
Dann ging wirklich alles schief. Anacrites und ich lieferten unsere erste größere Honorarabrechnung im Palast ab. Unerwartet erhielten wir sie unbezahlt zurück. Man stellte den von uns erhobenen Prozentsatz in Frage.
Ich ging mit den Schriftrollen zum Palatin und bestand auf einem Gespräch mit Laeta, dem Oberschreiber, der uns mit den Revisionen beauftragt hatte. Er behauptete jetzt, die Summe, die wir verlangten, sei inakzeptabel. Ich erinnerte ihn daran, dass er dem selbst zugestimmt hatte. Er weigerte sich, das zuzugeben, und schlug stattdessen vor, uns nur einen Bruchteil des von uns Berechneten zu zahlen. Ich starrte den Drecksack an, mir nur allzu bewusst, dass Anacrites und ich keinen schriftlichen Vertrag hatten. Es gab bloß mein ursprüngliches Angebot, auf das ich so stolz gewesen war; Laeta hatte die Bedingungen nie schriftlich bestätigt. Bis jetzt hatte ich gedacht, dass sei auch nicht nötig.
Vertraglich gesehen, war das Recht auf unserer Seite. Das spielte aber nicht die geringste Rolle.
Um unserer Angelegenheit mehr Gewicht zu verleihen, erwähnte ich, dass unsere Arbeit zunächst mit Vespasians Herzensdame Antonia Caenis besprochen worden war, und ließ auf taktvollste Weise durchscheinen, dass ich unter ihrem Patronat stand. Ich hatte immer noch großes Vertrauen zu ihr. Zumindest war ich mir sicher, dass sie Helena ins Herz geschlossen hatte.
Claudius Laeta gelang es, seine unzweifelhafte Befriedigung zu verbergen und eine angemessen trübselige Miene aufzusetzen. »Mit großem Bedauern muss ich Ihnen mitteilen, dass Antonia Caenis vor kurzem verstorben ist.«
Katastrophe.
Einen Moment lang fragte ich mich, ob er log.
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