Den schnapp ich mir Roman
blonden Haare waren zerzaust und ungekämmt, und wie Tristan hatte er die nächstbesten Klamotten übergeworfen, die er finden konnte: das fleckige Seidenhemd von dem Dinner vor drei Tagen, das überhaupt nicht zu den ausgebleichten Schwimmshorts mit dem Delfinmuster passte.
»Jack?« Caro heftete die kalten blauen Augen auf ihren Mann. Sie war wie eine Katze, die mit der gefangenen Maus spielte – verächtlich, distanziert und fasziniert, was wohl als Nächstes passieren würde, wenn sie wieder die Krallen in ihr Opfer schlug. »Findest du, dass die Party ein großer Erfolg war?«
Falls Jack sie gehört hatte, reagierte er nicht auf sie. Er trank weiterhin kleine Schlucke Wasser und nahm dazu
Schmerztabletten, die so groß waren, dass man sie wohl nur auf Rezept bekam. Vermutlich waren sie gegen seine pochenden Kopfschmerzen, aber es war völlig offensichtlich, dass Jack in Wirklichkeit etwas brauchte, was den Schmerz in seinem Herzen linderte. Jetzt setzte er eine Sonnebrille auf, um seine müden Augen vor Caro zu verbergen. Das verschaffte ihm ein wenig Abstand, aber er wirkte trotzdem wie ein gebrochener Mann.
Tessa wünschte sich fast, er würde eine seiner ätzenden Bemerkungen zu Caro machen, damit die beiden ihr übliches scharfes Geplänkel begannen. Aber heute war klar, dass sich etwas grundsätzlich geändert hatte. Jacks Schweigen und seine Niedergeschlagenheit rührten Tessa mehr, als sie ausdrücken konnte.
Mit Caro, die ihr Gift an einen untypisch stummen Jack verspritzte, mit Tristan, der nichts von seiner üblichen sonnigen Natur zeigte, und Henny, die kurz vor einem Nervenzusammenbruch schien, war sie wohl zu einem wahren Höllenfrühstück eingeladen worden. Erleichtert sah sie Milly.
»Hallo! Ihhh, wie kann man an einem solchen Morgen auch nur an Eier mit Speck denken!«
»Milly, mein Schatz.« Hennys Stimme wurde noch schriller. »Möchtest du einen Tee?«
»Nein, danke.« Milly sah sich schaudernd in der stummen, eisigen Tischrunde um und beschloss, die anderen zu ignorieren. Sie wechselte einen kurzen Blick des Einverständnisses mit Tessa und wählte dann umständlich von der Platte mit dem Gebäck ein Pain au Chocolat aus. Sie trug ein passendes Oberteil zu ihren Shorts, hatte aber offensichtlich darin geschlafen. Das Platinhaar hatte sie mit einem Bleistift zusammengesteckt.
»Ich habe gerade Othello fertig gelesen«, sagte sie kauend zu Tessa. »Das ist ja vielleicht toll! Die sexuelle Spannung
und die Eifersucht! Jesus, wie kann man nur so leben?« Sie schien nicht zu merken, dass sie gerade Caro und Jack beschrieben hatte, und fuhr ungerührt fort: »Und dieser Jago, was für ein entsetzlicher Schuft! Er bewirkt überall Chaos und Unfrieden, ist rachsüchtig und verführt jeden um sich herum zu Unanständigkeiten.« Sie brach ab, als ihr endlich aufging, dass sie JB und die Farce beschrieb, die Jacks und Caros Beziehung war. Dann stopfte sie sich stumm den Rest ihres Pain au Chocolats in den Mund.
Tessa überlegte, ob es wohl unhöflich wäre, wenn sie sich entschuldigte. Eine Sekunde später wünschte sie sich, sie hätte genau das getan.
»Hallo, Liebling!« Henny sprang hoch und rannte auf die andere Tischseite. »Haben die Franzosen endlich den Streik abgeblasen? Wie schade, dass du nicht bei der Party dabei warst.«
Tessa stellte mit zitternden Fingern ihre Tasse ab. Alles schien sich plötzlich in Zeitlupe zu bewegen. Neben einem sehr verdutzt blickenden Will stand Claudette. Sie war sofort von Tristans Gemälde her zu erkennen, nur doppelt so schön. Vielleicht bezeichnete man sie besser als gut aussehend. Sie betonte ihre Jungenhaftigkeit mit den dreiviertellangen Caprihosen und der taillierten blauen Bluse. Der rote Lippenstift vollendete das chice Outfit.
»Claudette ist erst vor zehn Minuten angekommen«, erklärte Will der Familie. Tessa konnte sich nicht dazu durchringen, ihn anzusehen. Sie wusste nicht, warum sie sich angesichts der Tatsache, dass Claudette nun hier war, wie vernichtet fühlte. Gestern Abend hätte sie nicht im Traum an so was gedacht. Und Will vermutlich auch nicht. Tessa war sehr unbehaglich zumute. Was für eine Frau war sie bloß! Sie hatte Adam Vorwürfe gemacht, weil er ihre Beziehung weiterlaufen ließ, obwohl er schon lange eine andere hatte. Aber sie war mindestens genauso schlimm, weil
sie jemanden geküsst hatte, der eine Verlobte hatte, nach der er verrückt war.
Wie benommen sah Tessa Claudette zu, die nun um den Tisch herumging
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