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Den schnapp ich mir Roman

Den schnapp ich mir Roman

Titel: Den schnapp ich mir Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sasha Wagstaff
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für den Abend ein anderes Outfit?« Clemmie schluckte eine von den extrem starken Schmerztabletten, die der Arzt in L.A. ihr auf Wunsch verschrieb. Seit fast einer Stunde diskutierte sie mit ihrer Agentin die Einzelheiten ihrer Hochzeit am Telefon. Clemmie war das Ganze restlos leid und wollte allmählich am liebsten alles absagen.
    »Okay«, schloss sie erschöpft. »Dann bestell bitte das Retro-Valentino … das schulterlose in Lila. Und was den Kuchen betrifft, das musst du entscheiden. Sechs Schichten oder zehn, das ist mir völlig egal. Und für die Geschmacksrichtung interessiere ich mich auch überhaupt nicht. Such du das aus. Honig mit Gewürzen, Birne, Walnuss oder Zitrone-Mandel … es könnte mir kaum gleichgültiger sein.« Sie hörte weiter zu, obwohl es hinter ihrer Stirn hämmerte. Brauchte sie vielleicht eine neue Botox-Injektion? Dann ereiferte sie sich aber doch noch einmal: »Jennifer, ich habe Tessa Meadmore ausdrücklich versichert, dass schon der bloße Gedanke an Libellen im Weihnachtsbaum unglaublich lächerlich sei! Komm mir bitte nie wieder mit derart albernen Vorschlägen. Was denkst du dir nur dabei? Ganze Heerscharen von Tierschützern würden mich in Grund und Boden verdammen. Das ist eine Hochzeit, Jennifer, kein Zirkus. Vergiss das bitte nicht, ja?« Damit knallte sie den Hörer auf.
    Waren denn alle verrückt geworden? Ihre Hochzeit, angeblich der glücklichste Tag ihres Lebens, entwickelte sich
immer mehr zu einer Farce, zu einer Arena für abstruse Ideen und grenzenlose Übertreibungen. Wütend löschte Clemmie sämtliche E-Mails, die ihre Stilberaterin ihr geschickt hatte. Im Anhang waren Dutzende von Fotos mit Brautkleidern beigefügt, aber sie hatte kaum eine Sekunde gebraucht, um sich für eines zu entscheiden.
    Es war mittlerweile September, nur noch ein paar Monate bis zur Hochzeit, aber Clemmie konnte sich immer noch nicht an den Gedanken gewöhnen. Sie und Rufus schienen nie Zeit zu haben, auch nur die wichtigsten Details zu besprechen. Die Dreharbeiten im Schlösschen nahmen fast ihre gesamte Zeit in Anspruch. Rufus war immer unberechenbarer geworden. Man konnte nie fest mit seiner Anwesenheit rechnen, was Clemmie dauernd in Verlegenheit brachte. Ständig suchte sie mit hochrotem Kopf nach einer Ausrede für ihn.
    Seufzend starrte sie aus dem Fenster. Diesmal gelang es aber selbst der wunderschönen Landschaft draußen nicht, sie aufzuheitern. Sogar das Wetter schien sich gegen sie verschworen zu haben. Die wässrige Septembersonne ging häufig in einen heftigen Regenguss über, der sie deprimierte. Wie sehr sehnte sie sich dann nach der verlässlichen kalifornischen Sonne.
    Clemmie stand vom Computer auf und ging zu dem Wandsafe, den sie in ihrem Zimmer hatte einbauen lassen. Ihre persönlichen Fotos lagen unter den Täschchen von Tiffany und Schachteln von Asprey mit ihrem Schmuck. Als Tessa sie vor einigen Wochen gefragt hatte, ob sie ein paar Kinderfotos sehen könnte, hatte sie spontan gelogen. Natürlich hatte sie Kinderfotos von sich, wer hatte die nicht? Der einzige Unterschied war, dass sie ihre Fotos überallhin mitnahm und sicher in einem Safe einschloss, egal, wo sie sich jeweils befand.
    Clemmie war nicht ganz sicher, warum sie sie überhaupt
aufbewahrte. Diese Fotos waren gefährlich. Außerdem machten sie sie stets traurig. War es Selbstbesessenheit? Waren es Schuldgefühle? Eine Erinnerung daran, woher sie stammte und wer sie damals war? Sie wusste es nicht, aber ihr war völlig klar, dass es Wahnsinn war, sich an diese so verräterischen Fotos zu klammern. Clemmie wollte Tessa nicht anlügen, aber ihr war nichts anderes übrig geblieben. Jetzt zog sie ein Bild von sich mit sechzehn Jahren hervor und hielt den Atem an. Sie war tatsächlich nicht zu erkennen, ein linkisches blondes Mädchen, das den Fotgrafen schüchtern anlächelte. Die schiefen Zähne betonten nur ihre Unscheinbarkeit. Wer würde sie auf diesem Bild überhaupt erkennen? Wer würde glauben, dass dieser unauffällige, pummelige Teenager in dem schlecht sitzenden Karokleid zu einem berühmten Filmstar herangewachsen war, einer eleganten Brünetten mit perfekten Zähnen, gemeißelten Wangenknochen und einer umwerfenden Figur? Niemand. Sie hatten auch Recht. Sie war nicht mehr dasselbe Mädchen.
    Clemmie rollten nun Tränen über die Wangen. Wenn sie Tessa diese Fotos gezeigt hätte, wären alle möglichen Fragen erfolgt, vielleicht nicht von Tessa, aber von anderen, denen sofort aufgefallen

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