Den schnapp ich mir Roman
Büstenhalter, der kaum ihren Busen halten konnte. »Die verdammte Caro hat vermutlich herausgefunden, dass ich ihr immer die Kaschmirpullover klaue. Jetzt hat sie sie alle im Schank eingeschlossen. Ich habe nichts anzuziehen und bin in einer Minute mit India verabredet.«
Im nächsten Augenblick war Claudette wieder ihr charmantes Selbst und schlang die Arme um Milly. »Natürlich. Ich’abe ein paar schöne Kaschmirjumper mitgebracht. Du kannst dir einen aussuchen und behalten.«
»Ehrlich?« Milly strahlte Tessa an. Wie sehr sie es genoss, von Claudette so verwöhnt zu werden!
Tessa zitterte am ganzen Körper, setzte sich und sah den beiden hinterher. Immerhin wusste sie jetzt, was Will über sie dachte. Sie biss sich auf die Unterlippe, die nicht aufhören wollte zu zittern. Gott, sie musste sich zusammenreißen.
Dann stand sie auf, wählte ein paar dunkelblaue Gummistiefel, die ihr viel zu groß waren, und streifte sie, ohne nachzudenken, über. Das einzige Problem war nur, dass Will sie zwar nicht ausstehen konnte und offensichtlich in Claudette verliebt war, aber Tessa hatte gerade gemerkt, dass sie ihn nun klarer sah. Sie wusste nun genau, was sie für ihn empfand.
Dann öffnete sie die Hintertür und trat hinaus in den Platzregen, während Tränen über ihre Wangen rollten und sich mit dem Regen vermischten. Rasch wischte sie sich über das Gesicht. Es gab keine Zukunft für sie und Will, das war klar, daher musste sie sich von ihm fernhalten. Sie musste sich auf ihre Arbeit konzentrieren und versuchen, über ihn hinwegzukommen.
Milly verbrannte sich die Zunge an ihrem Kakao. Dann blickte sie wieder auf ihr Handy. Sie hatte sich mit India in der kleinen Teestube im Dorf verabredet, aber das war schon vor einer halben Stunde gewesen. Draußen rasten dunkle Wolken über den silbergauen Himmel und warfen bedrohliche Schatten auf das Dorf. Es war vier Uhr am Nachmittag, aber schon fast so dunkel wie am Abend. Wo zum Teufel steckte India?
Milly legte das Buch mit den Gedichten ab, weil sie sich nicht konzentrieren konnte, und schob die Ärmel des anthrazitgrauen Kaschmirpullovers hoch, den Claudette ihr geschenkt hatte. Er war noch weicher als der von Tante Caro und hatte kleine Knöpfe an den Ärmeln. Vermutlich war er sehr teuer gewesen. Wie schön, Leute wie Claudette und Tessa um sich zu haben! Milly fühlte sich sehr erwachsen. Dann fügte sie in Gedanken düster hinzu: Besonders, wo India mich jetzt ständig hängenlässt.
Dann setzte sie sprachlos ihre Tasse ab, als sie sah, wie David die Teestube betrat. Er trug einen schwarzen Mantel,
der verdächtig wie Freddies aussah, und graue Jeans. Als er sie erblickte, wirkte er betroffen und sah dann zurück zur Tür, als überlegte er sich, sofort wieder zu gehen.
»David!«, rief Milly und winkte ihm zu. Zögernd trat er an ihren Tisch. »Setz dich, du Idiot!« Sie schob ihm einen Stuhl zu, auf den er sich fallen ließ. Dann schlang er abwehrend den Mantel um sich. Er blickte sich verstohlen um wie ein Spion und sah die alte Klatschtante Mrs. North und ein paar von ihren Freundinnen mit zusammengekniffenen Augen an. Sie saßen in einer Ecke und teilten sich geizig eine einzige Teekanne. Milk and Honey , Appletons populärste Teestube, war ansonsten leer. Das schreckliche Wetter hatte die Leute heim an den warmen Kamin getrieben.
»Was machst du denn hier? Ich dachte, du kämst erst nächste Woche wieder nach Hause.« Milly sah David stirnrunzelnd zu, wie er ihren Scone verputzte, auf den sie gerade Blaubeermarmelade und Sahne gestrichen hatte. Ihr fiel auf, dass er einen Ohrring trug, einen Stutzen mit einem kleinen silbernen Kreuz.
»Ich bin offiziell gar nicht hier«, sagt er kauend. »Sag Mum bitte nicht, dass du mich gesehen hast.« Er wischte sich mit der Hand über den Mund. »Ich treffe mich mit Alicia«, fügte er hinzu. »Aber Mum soll nicht erfahren, dass ich zum Wochenende schon wieder hier bin, weil ich keine Zeit habe, sie zu sehen. Halt bitte den Mund, ja?«
Milly pfiff durch die Zähne. »O mein Gott! David ist zum ersten Mal in seinem Leben rebellisch! Ich dachte immer, ich wäre das schwarze Schaf der Familie.« Sie deutete auf seinen Ohrring. Dabei blitzten ihre Augen verschmitzt auf. »Mum rastet bestimmt aus, wenn sie den sieht, aber trägst du ihn auch im richtigen Ohr? Nur ein Stutzen – heißt das nicht, dass du schwul bist?«
»Ach, halt doch die Klappe!« David stieß ihre Hand fort
und verdrehte die Augen. »Du kannst
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