Den schnapp ich mir Roman
Engel?«
Als sie die Sorge in seinen dunkelblauen Augen erkannte, wäre sie fast wieder in Tränen ausgebrochen. Sein Oberklassenakzent in Verbindung mit der Zärtlichkeit in seinem Blick bewirkten bei ihr, dass sie sich am liebsten sofort in seine Arme gestürzt hätte. Aber das würde niemals geschehen. Sie rief sich in Erinnerung, dass Freddie sie bloß als die kleine Schwester sah, die er nie gehabt hatte, und dass er David während dessen Abwesenheit vertrat. Seit Davids Fortgang hatte Freddie sich sehr fürsorglich um sie gekümmert. Er hatte sie oft angerufen, ihr ab und zu einen Spliff zugesteckt und ihr lustige SMS geschickt. Doch es bestand kaum eine Aussicht, dass er sie irgendwann als seine Freundin betrachten würde. Freddie war für jemanden wie sie viel zu glamourös. Er verdiente eine skandinavische Prinzessin oder mindestens ein Supermodel.
Jetzt zog er den Mantel aus und hing ihn zum Trocknen
über die Stuhllehne. »Hast du was dagegen, wenn ich mich setze?«
»Nein. Sieht nicht so aus, als würde India noch kommen.«
Freddie setzte sich und legte die Füße auf den Stuhl neben sie. Dann nahm er ein Buch von dem Stapel auf dem Tisch. Dabei trafen sich ihre Finger. Milly genoss die flüchtige Berührung. Freddie blätterte den Band durch und überflog ein paar Seiten mit hochgezogenen Brauen. »Dir gefällt dieser Shakespeare also.«
»Wahnsinnig! … Diese Worte … Und erst die Sonette.« In Wirklichkeit hatte Milly keine Ahnung, dass Shakspeare ein so begabter romantischer Typ gewesen war. Doch als sie auf der Rückseite eines von Wills Büchern ein Porträt von Shakespeare entdeckte, war sie sehr enttäuscht über diesen Mann mit dem Ziegenbärtchen und einem Spitzenkragen.
Freddie reichte ihr lächelnd das Buch zurück. »Du bist eine richtige Intellektuelle!«, zog er sie auf. »Das steht doch nicht mal auf dem Lehrplan, oder? Nicht, dass ich dieser Tage oft in die Schule gehe.« Er bestellte sich ein Kännchen Kakao und Scones bei der Kellnerin, die ihn dabei schmachtend ansah.
Milly warf ihr einen scharfen Blick zu. Die Kellnerin kniff daraufhin verärgert die Augen zusammen, dass sie von einem so jungen Ding verjagt wurde, auch wenn sie einen der teuersten Kaschmirpullover trug, den die Kellnerin jemals gesehen hatte.
»Mein Vater ist stinksauer auf mich«, fuhr Freddie fort, ohne dass ihm dieser Blickabtausch aufgefallen wäre. »Er hält mich für eine völlige Niete. Einen geborenen Versager. Ich würde noch in der Gosse landen, sagt er.« Seine Miene wurde verschlossen. »Er hat mir alles Mögliche angedroht, wenn ich meine Prüfung auch im zweiten Anlauf nicht schaffe.«
»Zum Beispiel?«
»Mich enterben, sein Testament ändern, mich rausschmeißen zum Beispiel.«
Milly fragte entsetzt: »Das würde er doch nie tun!«
»Doch«, erwiderte Freddie nachdrücklich. Überrascht sah er zu, wie die Kellnerin unverhüllt aggressiv den Kakao auf den Tisch knallte. »Na, bitte! Was ist denn mit der los? Aber mein Vater ist sehr streng, Milly, fast gnadenlos. Er wirkt ziemlich tolerant, aber wenn man ihn angreift, kann er einen ohne mit der Wimper zu zucken absägen. Warum hat er wohl so oft geheiratet? Sobald eine Frau ihn irgendwie ärgert, schickt er sie fort, noch ehe die Tinte auf der Eheurkunde getrocknet ist.« Er trank einen Schluck Kakao. »Wo wir gerade davon reden, meine Stiefmutter sollte endlich aufhören, mir jedes Mal an den Hintern zu fassen, wenn ich an ihr vorbeigehe. Sonst wandert sie auch bald in den Papierkorb der Geschichte.«
»Weiß dein Vater Bescheid über… deine außerschulischen Aktivitäten?«
Freddie grinste sie schräg an. »Du meinst den Drogenhandel? Natürlich. Das weiß doch jeder. Aber ich handle nur mit Dope, nicht mit harten Drogen.« Dann rührte er mit gesenktem Blick in seinem Kakao. Seine absurd langen Wimpern fielen fast bis auf die Wangenknochen. »Er will, dass ich sofort damit aufhöre und anfange zu lernen. Sonst schickt er mich nach London zu diesem schrecklichen Onkel, der mich vermutlich grün und blau schlägt.« Er wirkte spöttisch. »Da ich ihn gut kenne, zieht er es vielleicht sogar vor, mich bis zum Anschlag zu bumsen.«
Milly war ensetzt. Sie konnte den Gedanken nicht ertragen, dass Freddie vielleicht nach London ziehen würde. Sie musste ihm helfen – denn ihr Leben wäre nichts mehr wert, falls er fortging.
Sie sah ihn flehend an. »Kannst du es nicht einfach aufgeben – das Geschäft meine ich?«
Freddie blätterte
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