Den schnapp ich mir Roman
einen Baum zog, um Schutz vor dem Regen zu finden. »Keine Sorge, ich habe drei Pullover an. Na, sag schon. Was ist passiert? Habt ihr euch mit einem Kuss wieder vertragen?«
»Ja, so ähnlich.« Tessa steckte die Hände in die warmen Taschen. Sie war in ihrer Loyalität für Tristan und Sophie hin- und hergerissen. Beide waren gute Freunde, und sie wusste, dass beide sehr eigensinnig waren und kaum nachgeben und ehrlich miteinander über ihre Gefühle reden würden. Wenn sie jetzt nichts sagte, würden sie es vielleicht nie wagen, miteinander über die fatale Nacht zu reden. Tessa überlegte. Sie hatte in den letzten Monaten versucht, sich nicht allzu eng mit der Familie einzulassen, und sich gesagt, wenn sie sich in Dinge einmischte, die sie nichts angingen, würde es alles nur schlimmer machen.
Tessa sah, wie niedergeschlagen Tristan bei der bloßen Erwähnung von Sophies Namen war. Er liebte sie immer noch. Da schlug sie alle Warnungen in den Wind.
»Sophie glaubt, dass du sie betrogen hast.«
»Was?« Tristan sah sie völlig perplex an. »Wie kommst du denn darauf?«
»Sie hat es mir gesagt.« Tessa seufzte. »Du erinnerst dich an den Abend, als Sophie verschwand?«
»Ja, sehr deutlich«, antwortete er trocken.
»Gut. Du weißt also noch, dass deine Exfreundin Anna auftauchte und versuchte, dich zu küssen?«
Tristan ließ fast die Taschenlampe fallen. »Woher weißt du das?«
»Sophie hat es mir erzählt. Sie weiß das, weil sie früher aus London zurückkam, zu dir ging und gesehen hat, wie du Anna geküsst hast. Oder wie Anna dich küsste.«
»Ach du lieber Himmel!« Tristan riss sich die Wollmütze vom Kopf und fuhr mit den Fingern durch die feuchten Locken. »O mein Gott! Kannst du dir vorstellen, wie das ausgesehen hat? Warte mal … warum hat sie denn nicht weiter hingesehen? Hat sie nicht gesehen, wie ich Anna fortgestoßen habe?«
Tessa schüttelte den Kopf. »Sie war so erschüttert, dass sie sofort weggerannt ist.«
»Aber … sie kann doch unmöglich geglaubt haben … dass ich ihr so was antue … das würde ich doch nie machen … hätte ich nie getan … Ich habe sie doch mehr als mein Leben geliebt!«
»Du hattest damals einen ziemlich schlimmen Ruf«, erinnerte Tessa ihn sanft. »Du warst nicht gerade für deine Treue berühmt.«
Tristan sah sie fassungslos an.
»Ich glaube, die Sache war so schlimm, weil du Sophie nie von Anna erzählt hattest. Sie wusste nicht, wie verrückt Anna war. Es klingt so, als hätte sie befürchtet, dass du immer noch etwas für Anna übrighattest, weil du das Porträt behalten hast. Und weil du dich weigertest, über sie zu reden.«
»Das Porträt … das war doch bloß Eitelkeit … Es war meine Arbeit«, brach es aus Tristan heraus. In seiner Erregung stürzte er fast. »Sophie wusste, wie ich damals war. Wenn ich ein Bild fertig hatte, das ich besonders gut fand, dann konnte ich es kaum ertragen, es bei der Galerie abzuliefern. Das hieß doch nicht, dass ich das Mädchen noch toll fand. Ich konnte sie nicht ausstehen!«
Tessa wusste nicht, wie sie ihn trösten konnte. »Sophie wusste das aber nicht, Tristan. Du musst versuchen, es aus ihrer Sicht zu sehen. Eine Exfreundin, über die du nicht reden willst, ein Porträt, das du behalten hast, vermutlich aus sentimentalen Gründen. Und ein schlechter Ruf, der damals schon hinter dir lag, aber Sophie war sehr jung. Vielleicht war sie deiner nicht ganz sicher.«
»Quatsch.« Doch langsam dämmerte es Tristan, wie die Szene mit Anna auf Sophie gewirkt haben musste. »Mein Gott, wie sehr sie mich hassen muss«, sagte er tonlos. »Sie muss gedacht haben, dass ich sie nur angelogen habe. Ich habe nicht mit ihr über Anna geredet, weil ich unsere Beziehung nicht gefährden wollte. Ich habe ständig in der Angst gelebt, dass Anna zurückkommen und sich rächen würde. Es war besser, sie völlig auszublenden und zu tun, als gäbe es sie gar nicht.«
»Sprich mit Sophie«, drängte Tessa ihn. Der Regen troff nur so von der Kapuze der Öljacke. Ohne diesen Schutz wäre sie jetzt bis auf die Haut nass gewesen. Es tropfte sogar von ihren Wimpern. Sie hakte sich bei Tristan unter. Ein triefnasser Austin kam auf sie zugaloppiert. »Aber vielleicht nicht heute, denn wir ertrinken hier fast.«
»Aber … ich muss zu ihr … alles erklären …«
»Das geht nicht!« Tessa umklammerte seinen Arm. Gil würde jeden Moment mit Ruby zurückkommen. »Sophie ist sehr aufgebracht … Ganz aus dem Häuschen ist sie. Gib
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