Den schnapp ich mir Roman
vielleicht nicht Gils biologische Tochter, aber sie hatten jeden Tag zusammen verbracht, seitdem er sie aus dem Krankenhaus abgeholt hatte. Anfangs war Gil ein sehr liebevoller Vater gewesen, der zärtlich Rubys kleines, verknautschtes Gesichtchen und die winzigen Fingernägel betrachtete. Doch je älter sie wurde – und im Aussehen und Verhalten ihrem leiblichen Vater immer ähnlicher -, desto schwerer war Gil es gefallen, mit ihr umzugehen.
Sophie glaubte, dass der uralte Zwiespalt zwischen Umwelt und Erbgut dafür verantwortlich war. Oder war es einfach ganz altmodischer Egoismus? Wenn Ruby mehr Interesse an den Dingen zeigen würde, die für Gil wichtig
waren, oder ein paar seiner ungewöhnlichen Charakteristika geerbt hätte, würde er vermutlich liebend gerne mehr Zeit mit ihr verbringen. Ruby malte und zeichnete gerne, und auf dem Gebiet hätten sie viel zusammen machen können, aber Gil hatte keine Ahnung von kindlicher Fantasie und dem Bedürfnis, sich auszudrücken. Vermutlich war er als kleiner Junge immer angehalten worden, vernünftig zu sein, denn Sophie wusste, wie streng Gil erzogen worden war. Gils Vater war ein sehr selbstgerechter Pfarrer gewesen, ein schrecklicher Heuchler, dessen Urteil Sophie immer zutiefst schockte. Der arme Gil hatte seine gesamte Kindheit in Angst und Schrecken verbracht, ob er wohl wieder den Zorn seines Vaters auf sich zog, und war daher nicht sonderlich gut geeignet, mit der lebhaften Ruby umzugehen.
Gil wechselte nun das Thema. »Ich habe dir übrigens etwas sehr Wichtiges mitzuteilen.«
»Äh … was ist es denn?« Sophie gefiel Gils erwartungsvoller Blick nicht. Beim letzten Mal, als er sie so angesehen hatte, war die Neuigkeit gewesen, dass er den Auftrag für Appleton Manor angenommen und das Haus gemietet hatte, ohne sie vorher zu fragen. Sie wusste, dass das nicht aus Egoismus geschehen war. Sie hatte seine Karriere immer unterstützt, und er hatte damit gerechnet, dass sie außer sich vor Freude sein würde über einen längeren Aufenthalt in den wunderschönen Cotswolds.
Sophie machte sich auf alles gefasst.
»Ich habe unsere Hochzeit gebucht«, erklärte er strahlend.
Sophie war so sprachlos, das sie fast von ihrer Liege rutschte.
»Ich weiß, wir hatten uns noch nicht auf ein Datum geeinigt, Schatz, aber dann kam der Auftrag für Appleton Manor, und als ich sah, wie Rufus und Clemmie alles planen,
da hatte ich eine Erleuchtung wie Mr. Darcy. Ich wollte dich damit überraschen.«
Rufus und Clemmie … Appleton Manor … Sophie war außer sich … Er hatte doch nicht … Gil wollte doch nicht etwa ernsthaft vorschlagen, dass er das Schlösschen für ihre Hochzeit gebucht hatte?
»Heiligabend.«
»Heiligabend?«
»Ich habe unsere Hochzeit auf Heiligabend festgelegt. Im Schlösschen!« Gil wirkte außer sich vor Begeisterung. »Was könnte romantischer sein als eine Weihnachtshochzeit?«
Sophie spürte, wie ihr das Blut aus den Wangen wich. Was in aller Welt hatte er nur vor?
»Ist das nicht eine tolle Idee?« Gil warf gereizt einen Blick auf Nathan, fuhr dann aber fort, seine Pläne für die Hochzeit in allen Einzelheiten zu beschreiben, von dem handgebundenen Lilienbouquet in Sophies Händen bis hin zu dem schmal geschnittenen, elfenbeinfarbenen Satinkleid, in dem sie mit ihm vor den Altar treten würde.
»Was soll denn die Eile?«, unterbrach Sophie ihn mit heiserer Stimme. »Ich begreife nicht …«
Gil sah sie entzückt an.
»Ich dachte, es wäre an der Zeit, dich zu einer ehrenwerten Frau zu machen, meine Liebe. Das wird sooo romantisch. Wir sind doch schon ewig lange verlobt, daher sollten wir endlich den Bund fürs Leben schließen. Wir lieben uns doch, oder? Wir sind sicher, was wir füreinander empfinden. Oder?«
Sophie wandte sich ab. Gil war ihr bester Freund. Er war zuverlässig, fürsorglich und ergeben, und er war immer für sie da gewesen, sogar, als es sonst niemanden gab, der sich um sie kümmerte. Aber er war eben nicht Tristan und würde es niemals sein. Aber das war ja etwas Positives, oder?
Sophie senkte den Blick, weil sie spürte, wie Tränen in ihren Augen aufquollen. Als Gil sie bat, ihn zu heiraten, hatte sie zugestimmt, weil seine Begeisterung sie mitgerissen hatte. Sie hatte gehofft, sie würden lange verlobt bleiben, damit sie sich an den Gedanken gewöhnen konnte. Sie hatten nur vage weitere Pläne gehabt, und es reichte eigentlich, dass der Brillantring an Sophies Finger bedeutete, dass sie einander versprochen
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