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Den Tod vor Augen - Numbers 2

Den Tod vor Augen - Numbers 2

Titel: Den Tod vor Augen - Numbers 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Ward
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kannst. Irgendwas, wo du sicher bist.«
    Ich kenne sie nicht. Ich weiß nicht, wo ihre Wohnung ist. Aber ich mag sie, ihre Haltung. Sie ist genau wie ich, das hat sie selber gesagt.
    »Na gut, nur für ein paar Tage …«
    »Nur für ein paar Tage.«
    Sie reicht mir die Colaflasche zurück.
    »Ich heiß übrigens Meg«, sagt sie.
    »Sarah.«
    »Dann komm«, meint sie. »Lass uns von dem Fleischmarkt verschwinden.«
    Und ich folge ihr durch den Bahnhof. Wir werden von den Menschenmassen verschluckt, Hunderten, Tausenden Menschen um uns herum, aber das ist okay, denn ich bin jetzt nicht mehr allein.
    Ich habe Anschluss gefunden, jemanden, der die Spielregeln kennt. Und ich hab eine Bleibe.

ADAM
    Sie ist verschwunden.
    Ich gehe am nächsten Tag ziemlich aufgeregt zur Schule. Ich werde sie finden und mit ihr reden. Ich kann nicht länger warten. Aber sie kreuzt nicht auf, weder an diesem Tag noch am nächsten. Ich frage nach ihr – andere Schüler in ihrer Gruppe, doch niemand weiß, wo sie ist. Es weiß überhaupt niemand viel über sie.
    Ich bin genervt. Die Verbindung zwischen uns – die Spannung – ist das Einzige, woran ich denken kann. Nachts, wenn ich im Bett liege, spüre ich ihre Hand an meinem Gesicht und bekomme Schweißausbrüche. Ich hab das nicht geträumt. Es war real, genau wie der leichte Schmerz in meinen Eiern real ist, der aufkommt, wenn ich dran denke, sie zu sehen, sie zu umarmen, ihr Gesicht zu berühren …
    Es ist so unfair. Der einzige Mensch in der Schule, der mich versteht, mich als den wahrnimmt, der ich bin – und jetzt ist sie weg.
    »Wo ist deine Freundin hin?«
    »Ein Blick und schon macht sie sich aus dem Staub.«
    »Oh, jetzt ist er ganz allein.«
    Ich hasse ihre Sprüche, ihre dummen, bescheuerten Kommentare, doch ich versuche sie zu überhören. Sie sind nicht wichtig. Nichts hier ist wichtig.
    Ich sitze im Unterricht und es kommt mir vor wie Zeitverschwendung – die Lehrer haben keine Ahnung. Sie verbringen ihre Zeit damit, über Geschichte und Geografie, Literatur und Naturwissenschaften zu labern, während ich weiß, dass uns in ein paar Monaten alles hier um die Ohren fliegt. Nichts als Worte, leere Worte – Plattentektonik, globale Erwärmung, Ölförder-Maximum, Scheitelwasserstand – ich kann nicht erkennen, wie das mit dem zusammenhängt, was da draußen gerade passiert. Irgendwas ist da bereits im Gange, irgendwas, das alles verändert, die Hälfte der Leute töten wird, die hier im Klassenraum sind. Davon hat die Schule keinen Schimmer.
    Ich muss Sarah finden. Sie weiß etwas, da bin ich mir sicher. Sie ist irgendwo da draußen und ich werde sie nicht finden, indem ich bloß hier rumsitze. Die Lehrerin hat vorn auf dem Bildschirm eine Weltkarte hochgefahren und fordert uns auf, die Formen der Erdplatten in die Basiskarte einzutragen, die sie auf unser Palm-Net geladen hat.
    Ich greife in meine Tasche, um es rauszuholen, stattdessen halte ich plötzlich Sarahs Etui in der Hand. Ich hatte es eingesteckt, nachdem sie aus dem Kunstraum gerannt war, wollte es für sie aufbewahren und ihr am nächsten Tag, zusammen mit der Zeichnung von mir, zurückgeben. Ich ziehe den Reißverschluss auf und schaue hinein. Es sind nur Bleistifte, Kugelschreiber und Radiergummis drin, aber es ist, als ob ich etwas Vertrauliches betrachte. Ich will den Reißverschluss schon wieder zuziehen, als mir plötzlich etwas ins Auge springt – etwas Handgeschriebenes auf der Innenwand, ihr Name, ihre Adresse, in deutlichen schwarzen Buchstaben. Ich fahr mit dem Daumen über die Schrift, so wie ich es bei dem Brief von meiner Mum getan habe, in der Hoffnung, etwas von ihr zu ertasten. Ich lese die Schrift mehrere Male hintereinander und die Wörter haften im Kopf. Den Rest der Stunde fahre ich wieder und wieder darüber, bis ich endlich, als es zum Schulschluss läutet, weiß, was ich tun werde.
    Anstatt nach Hause zu gehen, suche ich Sarahs Adresse im Palm-Net, und es führt mich per Satellitennavigation hin. Es sind mehr als sechs Kilometer bis Hampstead und ich brauche über eine Stunde, aber es macht mir nichts aus, so weit zu laufen. Ich habe das Gefühl, dass es richtig ist. Ich bin sicher, dass es richtig ist, etwas zu tun.
    Als ich die Gegend erreiche, bin ich plötzlich nicht mehr so sicher. Lauter frei stehende Häuser, riesige Villen mit automatischen Toren. Wohnt Sarah wirklich hier? Ich weiß, dass sie in einem Nobelschlitten zur Schule kommt, ich hab die anderen reden hören,

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