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Den Tod vor Augen - Numbers 2

Den Tod vor Augen - Numbers 2

Titel: Den Tod vor Augen - Numbers 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Ward
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aber das hier ist etwas anderes. Ich kann verstehen, dass sie lieber zu Hause bleiben will, als zur Schule zu gehen. Wenn ich so wohnen könnte, würde ich auch nicht rausgehen.
    Hausnummer 6 liegt hinter einer Mauer versteckt, auf der oben zwei Kameras sitzen. Das Tor ist aus massivem Stahl, so dass man nicht sieht, was sich dahinter befindet. Es gibt eine Sprechanlage mit einer Taste drunter. Da es die einzige Möglichkeit ist, reinzukommen, drücke ich sie. Fast im selben Moment dringt eine Frauenstimme aus der Anlage.
    »Ja?«
    Ich räuspere mich.
    »Ich möchte Sarah sprechen. Ich bin ein Freund aus der Schule.«
    »Aus welcher Schule?«
    »Forest Green.«
    Es folgt eine lange Pause. Dann schwingt das Tor allmählich auf. Ich nehme es als Einladung und laufe knirschend die Kiesauffahrt hoch. Das Haus verschlägt mir den Atem. Es ist weiß gestrichen, mit mächtigen Säulen, die ein Vordach stützen. Am Eingang steht ein schwarzer Mercedes neben einem roten Porsche. Heilige Scheiße! Ihre Familie ist nicht bloß reich, sie ist steinreich.
    Als ich näher komme, geht die Haustür auf, aber es ist nicht die Frau, die über die Anlage mit mir gesprochen hat. Im Eingang steht ein Mann. Er ist ein schwerer Brocken, riesig, wobei er größer wirkt, weil er in der Tür steht und ich am Fuß der Treppe. Er trägt teure schwarz glänzende Slipper, eine schwarze Anzughose und ein frisches weißes Hemd mit hochgekrempelten Ärmeln. Die Krawatte hat er unter dem Kragen gelöst. Er sieht mich an wie etwas, das seine Katze gerade hereingeschleppt hat, und ich erkenne seine Zahl. 01012028. Noch einer. Sarahs Dad.
    Er bittet mich nicht ins Haus.
    »Du weißt etwas über Sarah?«, fragt er. »Hast du sie gesehen?«
    Das heißt, sie ist also auch nicht hier. Sie ist abgehauen.
    »Nein«, sage ich. »Ich habe sie seit Tagen nicht mehr gesehen. Ich dachte, sie wär vielleicht hier. Ich wollte mit ihr reden.«
    »Mit ihr reden?«
    »Ja, wir … wir sind befreundet.« Es klingt lahm, als ich es sage.
    »Sie ist mit dir befreundet?« Er scheint mir nicht zu glauben oder will es nicht. Der Typ gefällt mir nicht, sein Ton gefällt mir nicht.
    »Ja«, sage ich, »wir haben Kunst zusammen.«
    »Und du magst sie, ja?« Worauf will er hinaus?
    »Ja. Wie ich schon sagte, wir sind Freunde.«
    Er tritt aus der Tür und kommt die Treppe hinab auf mich zu.
    »Sie war erst ein paar Tage dort«, sagt er, »und jetzt ist sie weggelaufen. Was hast du mit ihr gemacht? In der Schule. Was hast du zu ihr gesagt?«
    »Nichts. Ich hab überhaupt nichts gesagt. Wir sind bloß Freunde. Das ist alles.«
    Ich nehme seine Körpersprache wahr und weiß, ich sollte verschwinden. Ich weiche zurück, aber ich bin nicht schnell genug. Eine Hand schießt nach vorn, legt sich um meinen Hals und drückt mich gegen eine der Säulen. Er beugt sich vor, bis sein Gesicht dicht an meinem ist, und er legt sein ganzes Gewicht in die Hand, bis ich anfange zu röcheln.
    »Du hast sie angefasst, stimmt’s? Du hast meine Tochter mit deinen schmutzigen Fingern berührt.«
    »Nein.« Ich presse die Worte heraus. »Nein, bestimmt nicht.«
    »Du konntest deine Pfoten nicht von ihr lassen, stimmt’s? Du bist widerlich. Widerlich.«
    Seine Zahl steht jetzt direkt vor mir. Er ist ein Achtundzwanziger, aber nicht so wie die andern, etwas ist anders an seinem Tod – er kommt von innen heraus, Schmerz breitet sich in seinem Körper aus, schießt seinen Arm hinab, streckt ihn nieder.
    »Gary? Was ist los?«
    Über seine Schulter hinweg sehe ich eine Frau gleich hinter dem Eingang. Muss wohl Sarahs Mum sein. Sie trägt einen Bademantel und ist barfuß.
    »Was ist? Haben sie etwas gefunden?«
    Sarahs Dad löst den Griff.
    »Nein«, ruft er zu ihr zurück. »Es ist nichts.«
    Ich winde mich frei und halte die Hand an meinen Hals. Die Brust hebt sich, als ich versuche Luft zu bekommen.
    »Nichts«, sagt er. Er beobachtet, wie ich die Auffahrt zurücktaumele und loslaufe. Das Tor steht zum Glück noch offen. Ich bin draußen und renne die Straße entlang. Ich bleibe nicht stehen, bis ich aus der verhassten Siedlung raus und wieder an einem Ort bin, wo es Läden, Cafés und Häuser mit Türen direkt zur Straße gibt.
    Ich geh in den ersten Zeitschriftenladen, den ich finde, kaufe mir eine Cola und öffne sie, sobald ich bezahlt habe.
    »Hey, nicht hier im Laden! Trink sie draußen«, brüllt der Typ hinter der Kasse. Ich beachte ihn nicht. Der Zucker geht sofort ins Blut und allmählich

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