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Den Tod vor Augen - Numbers 2

Den Tod vor Augen - Numbers 2

Titel: Den Tod vor Augen - Numbers 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Ward
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schon! Die nächste Haltestelle scheint kilometerweit weg. Endlich halten wir an, ich springe durch den sich öffnenden Türspalt und gehe weiter, so schnell ich nur kann. Ich versuche nicht zu rennen – die Leute merken das und erinnern sich dran. Ungefähr alle hundert Meter steht auf der Straße ein Scanner und an der Ecke ein großer öffentlicher Infobildschirm. Auf diesen Infowänden sind Fotos vermisster Personen. Ich hab dort selbst schon geguckt, aber nie gedacht, dass es Leute wie ich sein könnten – Menschen, die nicht gefunden werden wollten. Wird morgen mein Gesicht dort oben erscheinen? So schnell ich kann, verdrücke ich mich in eine Seitenstraße.
    Während ich weiterlaufe, frage ich mich: Wie soll ich das schaffen? Wenn ich in ein Hotel oder in so eine Pension gehe, werden sie nach meinem Ausweis fragen. Ich brauche entweder einen gefälschten oder ich muss dorthin, wo keiner nach einem Ausweis fragt. Ich muss unter dem Radarschirm durchschlüpfen, verschwinden.
    Das ist aber nichts, was man allein schaffen kann, ohne Kontakte.
    Plötzlich werde ich mir meiner Situation bewusst: ein sechzehnjähriges Mädchen aus einer gesicherten Wohnanlage, schwanger, allein in einem fremden Stadtteil Londons, mit zweitausend Euro bar in der Tasche. Verdammt, was habe ich mir nur gedacht? Wie soll ich zurechtkommen?
    Ich schaue auf meine Uhr. 16.40 Uhr. In circa zwanzig Minuten wird sich Mum langsam fragen, wo ich bleibe. Ich hab keine Zeit! Am Ende der Straße rast ein Zug vorbei. Ich könnte mit einem Zug weiterfahren. Wenn ich ungesehen in einen reinkäme, könnte ich bis heute Abend fünfzig, hundert, zweihundert Kilometer weit weg irgendwo in England sein. Das Geld hätte ich. Ich könnte es tun.
    Das ist die Lösung. Ich muss zur Paddington Station.
    Dass ich nicht genau weiß, wo ich bin, ist nicht gerade hilfreich. Ich muss es riskieren – zurück auf die Hauptstraße und einen anderen Bus nehmen. Vor sechs Uhr wird Mum die Polizei nicht anrufen. Und bis dahin könnte ich weg sein.
    Ja, genau, Paddington, das ist es.
    Als ich zurück auf der Hauptstraße bin, muss ich nicht lange auf einen Bus warten. Ich ziehe den Kragen hoch, auch wenn ich weiß, dass das keinen Unterschied macht, und halte den Kopf gesenkt. Ich schaffe es zur Paddington Station, kaufe mir eine Flasche Cola und versuche zu erkunden, wo die Scanner sind, suche danach eine Stelle, wo ich die Tafel mit den Abfahrtzeiten sehen kann, und überlege mir, wohin ich will. Aber natürlich werde ich entdeckt. Während ich mir alles ausmale, merke ich, dass ich beobachtet werde.
    Ein Kerl kommt auf mich zu.
    »Neu hier? Brauchst du eine Unterkunft?«
    »Nein«, sage ich. »Alles okay. Ich warte auf einen Freund.«
    Er mustert mich von oben bis unten und lächelt.
    »Vielleicht bin ich ja dein Freund.«
    Er steht jetzt zu nah. Sein Gesicht ist direkt vor mir.
    »Nein«, sage ich wieder. »Alles in Ordnung.«
    »Komm schon«, sagt er. »Das ist kein guter Ort, um allein zu sein.« Ich kann ihn jetzt riechen, ein billiges Aftershave versucht seine Alkoholfahne zu übertünchen.
    »Hau ab und lass mich in Ruhe!«, sage ich und der Satz klingt mutiger, als ich mich fühle. Ich laufe durch die Bahnhofshalle und kümmere mich um keine Scanner mehr, sondern will nur noch weg von ihm.
    Ich muss eine Fahrkarte kaufen, einen Zug nehmen und von hier verschwinden. Ich bin mir bloß nicht sicher, wohin. Wohin soll ich fahren? In der Nähe der Fahrkartenschalter steht ein Mädchen. Sie ist nicht viel älter als ich. Lederjacke, Piercings am ganzen Ohr. Sie hat gesehen, wie ich herübergekommen und vor dem Widerling getürmt bin, der mich angesprochen hat.
    Ich bleibe stehen und trinke einen Schluck Cola.
    »Die sind krank, was?«, sagt das Mädchen.
    »Wer?«
    »Die Kerle hier. Glauben, sie können dich anmachen, nur weil du allein bist. Wichser.«
    »Ja«, sage ich und halt ihr die Flasche hin.
    »Danke«, sagt sie und nimmt einen Schluck.
    »Willst du irgendwohin?«
    »Ja, raus aus London.«
    »Irgendwohin, wo es schön ist?«
    »Nur raus.«
    »Du weißt aber schon, dass sie dich nach dem Ausweis fragen, wenn du eine Fahrkarte kaufst.«
    »Oh.« Das wusste ich nicht.
    »Wenn du nicht weißt wohin, ich hab eine Wohnung. Ein paar Tage kannst du bleiben, bis du weißt, was du willst. Ich hab ein Sofa …«
    »Echt?«
    Sie nickt.
    »Ja, klar. Bin selbst mal da gewesen, wo du jetzt stehst. Weiß, wie das ist. Du musst was finden, wo du von vorne anfangen

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