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Den Tod vor Augen - Numbers 2

Den Tod vor Augen - Numbers 2

Titel: Den Tod vor Augen - Numbers 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Ward
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seufzt.
    »Wir haben keine Zeit für so was. Wenn nicht jemand anderes tauschen will, arbeitet ihr zusammen. Will jemand?«
    Alle schütteln den Kopf, ziehen ihren Stuhl näher ran.
    »Dann setzt euch.«
    »Ich will nicht mit ihm zusammensitzen.«
    »Du setzt dich jetzt entweder mit ihm hin oder ich melde dich.« Das heißt Anruf zu Hause. Das heißt Nachsitzen. Sarah überlegt einen Moment und wägt ab, dann setzt sie sich an einen leeren Tisch. Sie zieht ein Gesicht wie Blitz und Donner. Ich nehme meine Tasche, geh auf die andere Seite und setz mich ihr gegenüber. Bleib cool, denke ich. Sag nichts Dämliches. Tu nichts Falsches. Sei einfach nett und normal.
    »Hi«, sage ich. »Ich bin Adam.«
    »Ich weiß, wer du bist«, sagt sie zum Tisch gewandt, doch dann fliegt ihr Blick kurz zu mir hoch und ich seh wieder ihre Zahl.
    Und wieder erstarre ich.
    Im Nu ist die Welt verschwunden und es gibt nur noch mich und den Augenblick ihres Todes.
    Ich spüre ihn in jeder Nervenspitze, jeder Zelle, im Kopf genauso wie im ganzen Körper – überall dieses überwältigende Gefühl von Wärme, eine friedliche Reise aus diesem Leben in ein anderes. Ich bin bei ihr, ich weiß es. Ich habe die Arme um sie geschlungen, den Duft ihrer Haare in der Nase. Ich liege dort, bin einfach da – bei ihr, für sie. Plötzlich weiß ich nicht mehr, ob das Sarah ist neben mir oder Mum. Und ich weiß auch nicht, ob sie mich verlässt oder sich mir anschließt. Auf welcher Seite stehe ich?
    »Lass das. Hör auf, mich so anzustarren.«
    Mit einem Schlag bin ich zurück in der Forest Green School.
    »Ich muss dich ansehen, wenn ich dich zeichnen soll«, sage ich.
    »Ich seh keine Zeichnung.«
    Ich schau auf den Tisch. Sie hat bereits die ovale Gesichtsform skizziert und mit schwachen Punkten markiert, wo Augen, Nase und Mund hin sollen.
    »Stimmt«, sage ich. »Ja.« Ich angle in der Tasche nach meinem Etui, ziehe ein Blatt Papier über den Tisch zu mir hin und fange an, ihre Gesichtsform zu zeichnen. Sie hat schulterlanges Haar mit einer leichten Welle drin. Ihre Augen sind nicht groß, aber schön, der stechende Blick von kurzen, kräftigen Wimpern gefranst. Ihre Nase ist gerade und stark ausgeprägt, keine Stupsnase wie bei manchen Mädchen, doch sie verunstaltet auch nicht ihr Gesicht. Je länger ich es ansehe, desto stärker scheint mir, dass nichts ihr Gesicht verunstalten kann.
    Ich versuche, so gut ich kann, zu zeichnen, was ich sehe. Ich möchte, dass ihr mein Porträt gefällt. Aber ich werde ihr nicht gerecht – man sieht, dass es ein Mädchen sein soll, doch es ist nicht sie. Ich radiere ständig Teile wieder aus, versuche es neu, aber es will nicht gelingen. Und als ich auf ihre Zeichnung sehe, höre ich ganz auf. Sie arbeitet wie eine richtige Künstlerin, mit Schraffuren und Linien, um ihrem Bild Kontur zu geben. Irgendwie hat sie es geschafft, ihre Gefühle auszuschalten. Sie sieht mich wie einen Gegenstand an.
    Das Gesicht, das sie gezeichnet hat, zeigt einen jungen Mann, keinen Jungen. An Kinn und Wangenknochen wirkt es kräftig, um den Mund herum weich. Aber am meisten fallen mir die Augen auf. Sie schauen mich ganz direkt aus dem Papier heraus an, nirgendwo anders hin. Irgendwie ist es ihr gelungen, dass man sieht, wie das Licht in ihnen gespiegelt wird, es gibt ihnen ein Leuchten, erweckt sie zum Leben. Es steckt ein Mensch dahinter. Jemand, der lacht, der verletzt und hofft. Sie hat gezeichnet, wie ich aussehe, aber nicht nur das – sie hat auch gezeichnet, wer ich bin.
    »Wow«, sage ich. »Das ist ja Wahnsinn.«
    Sie hört auf, nur dass sie nicht mich ansieht, sondern meine Zeichnung von ihr. Ich lege die Hand auf mein Papier, versuche es zuzudecken.
    »Meins ist Schrott«, sage ich. »Ich wünschte, ich könnte dich, dein Gesicht richtig zeichnen. Ich wünschte, ich könnte ihm gerecht werden.«
    Ihr Blick fliegt hoch, doch statt zu lächeln oder auch nur rot zu werden, schaut sie nur finster.
    »Ich wollte bloß sagen … ich hab bloß versucht …« Ich kämpfe, um die richtigen Worte zu finden. »Ich wollte bloß sagen, dass du ein wunderschönes Gesicht hast …«
    Ich hätte die Klappe halten sollen. Es klingt, als wollte ich sie beleidigen. Sie schaut weg und presst die Lippen zusammen, als ob sie sich hindern wollte, etwas zu sagen.
    »… und das Bild, das du gemacht hast, ist wunderbar. So wie du mich gezeichnet hast, sehe ich … also, so wie du mich gezeichnet hast, sehe ich …«
    »… schön

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