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Den Tod vor Augen - Numbers 2

Den Tod vor Augen - Numbers 2

Titel: Den Tod vor Augen - Numbers 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Ward
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wie Er.
    Ich schaue wieder mein Spiegelbild an. Der Körper hat sich verändert, aber das Gesicht im Spiegel ist das Gesicht, das Er sah, wenn Er bei mir war. Die Haare sind die, die Er berührt hat. Plötzlich möchte ich dieser Mensch nicht mehr sein. Ich will nicht aussehen wie sie.
    Ich zittere jetzt und greife nach meinen Sachen. Als ich wieder angezogen bin, gehe ich ins Badezimmer, suche nach einer Schere und schnippele an meinen Haaren. Sie fallen ins Waschbecken, auf den Fußboden, rings um mich rum. Ich drehe den Wasserhahn auf und spüle die Haare den Abfluss hinunter, dann setze ich den Stöpsel ein und leg mir ein Handtuch über die Schultern. Als das Waschbecken voll ist, beuge ich mich nach vorn und tunke den Kopf ein. Danach reibe ich Shampoo in das, was von meinen Haaren übrig ist, nehme einen Wegwerfrasierer und rasier mir den Schädel. In der Mitte lasse ich einen Streifen stehen wie so ein Mohikaner. Morgen werde ich Vinny bitten, ob er mir etwas Farbe besorgt; Pink, Grün, Schwarz, ist mir egal. Einfach nur etwas anderes.
    Damit ich nicht mehr die alte Sarah sehe, wenn ich in den Spiegel schaue. Ich werde selbst überrascht sein und zweimal hingucken müssen.
    Ab morgen werde ich ein neuer Mensch sein.

ADAM
    Wie können die Leute nachts schlafen? Wie machen sie das: die Augen schließen, entspannen und sich einfach dem Schlaf hingeben? Wenn ich die Augen schließe, sehe ich Zahlen, Tode, Chaos. Ich sehe um mich herum Gebäude einstürzen, sehe, wie sich das Wasser seinen Weg in meine Lunge bahnt, sehe mich von Flammen umzingelt. Ich höre Schreie, Menschen, die um Hilfe rufen, ich sehe das Aufblitzen einer Klinge, spüre, wie es zwischen meine Rippen dringt, weiß, dass es mein Ende ist. Aus. Vorbei.
    Ich ertrage es im Dunkeln nicht allein, nur mit diesen Bildern im Kopf. Alles scheint dann größer, lauter, dringlicher. Ich liege da und komm nicht davon los. Meine Beine zucken, bereit zu rennen, aber ich weiß nicht, wohin. Mein Herz wummert in meiner Brust, der Atem geht schnell und flach. Meine Hand tastet herum, findet den Lichtschalter und ich setze mich auf und reib mir die Augen, bis sie mit der Helligkeit klarkommen.
    Ich schau mich im Zimmer um. Das ist jetzt meine Welt. Ich gehe nicht zur Schule. Ich gehe nicht aus dem Haus. Ich bleibe hier, Tag und Nacht, Nacht und Tag, höre, wie der Nachbarshund ununterbrochen kläfft. Rund um die Uhr.
    Ich habe versucht bessere Informationen für Nelson zu bekommen. Er hat ja Recht, ich brauche Adressen und Postleitzahlen. Ich muss wissen, wo die Leute wohnen, nicht bloß, wo ich ihnen auf der Straße begegnet bin. Die Daten lassen sich auf zwei Arten beschaffen: Entweder ich fange an einem Ort an, wo viel los ist, und folge den Leuten dann nach Hause, oder ich warte vor irgendwelchen Wohnungen, Häusern, was auch immer, und schreibe die Zahlen der Leute auf, wenn sie herauskommen. Beide Methoden garantieren, dass ich von der Polizei aufgegriffen werde.
    Vielleicht kann ich es doch schaffen – ich muss es als Job betrachten, jeden Morgen zur Arbeit gehen. Nach drei Tagen und drei Verhaftungen erteilt Oma mir Hausarrest. Ich will sowieso nicht mehr raus. Die Polizei hat mich inzwischen auf ihrem Radar, ich bin fest eingespeist und auf den Fahndungslisten. Sobald ich aus der Tür bin, wissen sie Bescheid und verfolgen mich. Am dritten Tag dauert es nur eine halbe Stunde, bevor ich das Heulen der Drohne über meinem Kopf höre.
    Ich tue nichts Verbotenes und sie klagen mich auch nicht an, aber wenn man sechzehn und noch dazu dunkelhäutig ist, reicht es hier schon, einfach bloß in der Stadt rumzuhängen, um aufgegriffen und aufs Revier gebracht, durchsucht, in eine Zelle gesteckt, verhört und wieder in eine Zelle gesteckt zu werden. Bei der ersten Durchsuchung finden sie mein Buch.
    »Was ist das?«
    »Nichts.«
    »Das ist ein Notizbuch. Was schreibst du?«
    »Nichts.«
    Sie blättern es durch.
    »Hier stehen Namen, Daten und Beschreibungen. Du bist wohl so eine Art Stalker, was?«
    Ich mache dicht. Es ist besser, nichts mehr zu sagen. Sollen sie doch denken, was sie wollen. Ich habe niemandem wehgetan, niemanden fertiggemacht – sie haben nichts gegen mich in der Hand. Sie zeichnen alles auf Video auf und schreiben gleich im Verhörraum in ihren Laptop.
    Am dritten Tag stellt nicht die Polizei die Fragen, diesmal sitzen ein paar Anzugtypen im Raum. Der eine ist jung, hat rote Haare und trägt eine alberne Schnürsenkel-Krawatte, bei dem

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