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Den Tod vor Augen - Numbers 2

Den Tod vor Augen - Numbers 2

Titel: Den Tod vor Augen - Numbers 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Ward
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Systeme vor Ort, um mit allen Eventualitäten fertig zu werden.«
    »Ihr müsst die Menschen aus der Stadt bringen!« Ich schreie jetzt förmlich. »Es ist nicht sicher hier. Es ist …«
    »Das Schlimmste wäre, panisch zu reagieren. Sie wissen doch, wie die Medien sind. Innerhalb von einer Sekunde peitschen sie so eine Geschichte hoch. Und auf einmal laufen die Menschen kopflos herum wie die Hühner. Wenn alle versuchen, die Stadt sofort zu verlassen, bricht das Verkehrssystem zusammen. Es wäre gefährlich, deshalb muss ich darauf bestehen, dass Sie schweigen und die Sache den Profis überlassen.« Er steht auf und streckt Oma die Hand entgegen. »Danke, dass Sie vorbeigekommen sind.«
    Sie nimmt seine Hand, hält sie fest und wirft ihm einen ihrer Blicke zu. Dann sagt sie: »Sie werden es also weitergeben? Sie werden es an die Polizei und die Feuerwehr und wer es sonst noch alles wissen muss, weitergeben?«
    »Ja. Ja, natürlich. Ich halte mich an die Vorgaben, die wir haben.«
    »Wirklich?« Sie lässt ihn noch immer nicht los.
    »Ja, bestimmt. Danke, Mrs Dawson. Und wenn ich Sie wäre«, sagt er mit leiserer Stimme, »würde ich mal einen Termin beim Arzt machen. Er ist ganz offensichtlich aufgewühlt, verwirrt .« Seine Stimme ist nur noch ein Flüstern. »Solche Dinge können sich in Familien fortpflanzen.«
    Ich möchte ihm ins Gesicht schreien: Ich bin hier, im selben Raum wie du, du Wichser, aber ausnahmsweise sage ich nichts. Ich will nur noch raus, raus aus diesem freundlichen hellen Scheißloch.
    Der Junge und seine Mum haben den Warteraum verlassen. Ich sehe sie in einem anderen Besprechungszimmer. Der Junge hat sich beruhigt, er sitzt auf dem Schoß seiner Mum und nuckelt am Daumen. Sie hat den Arm um ihn gelegt. Kümmert sie sich endlich um ihn? Wird er zurechtkommen? Auf einmal möchte ich seine Zahl wissen. Ich möchte wissen, ob dieser Junge überleben wird. Es ist wichtig. Wir haben bisher keinen Augenkontakt gehabt, er hat nur bis zu meiner Narbe geschaut.
    Oma zieht mich am Ärmel.
    »Komm schon, Adam. Wo glotzt du denn hin? Lass uns von hier verschwinden.«
    Ich lasse mich von ihr wegführen, hinaus in den Wind und den Regen, der auf die High Street prasselt.
    »Tja«, sagt sie auf dem Weg zur Bushaltestelle. »Zumindest haben wir es versucht. Niemand kann sagen, wir hätten es nicht versucht.«
    »Der hat doch bloß gedacht, ich hab ’ne Schraube locker.«
    »Meinst du? Glaubst du nicht, er hat zugehört?«
    »Keine Ahnung, Oma. Auf jeden Fall hat er nichts als bescheuerte Behördensprüche von sich gegeben. Von wegen Pläne und System.«
    »Aber Pläne braucht man doch.« Sie klingt nicht überzeugt.
    »Oma?«
    »Ja.«
    »Was passiert, wenn der Typ, der für die Regelung einer Notsituation verantwortlich ist, zusammen mit all den anderen stirbt?«
    Sie bleibt stehen und schaut mich an.
    »Ist es so?«
    Ich nicke.
    »Scheiße.«
    »Was sollen wir tun, Oma?«
    »Ich weiß es nicht, Schatz, keine Ahnung.« Wie sie da steht, wirkt sie auf einmal wieder alt, und ich denke: Verdammt, wie sollen wir das schaffen, die Welt zu retten? Eine Rentnerin und ein Sechzehnjähriger. Wir sind im Arsch. Die ganze Welt ist im Arsch.
    »Aber ich weiß, was ich jetzt tun werde. Ich ziehe diese beschissenen Schuhe aus.« Sie schlüpft aus den Pumps, hebt sie auf und nimmt sie mit, bis wir an einer Mülltonne vorbeikommen. Dort wirft sie sie rein und marschiert dann in Strümpfen auf dem nassen Gehweg weiter zur Bushaltestelle.
    »Oma, das kannst du doch nicht machen …«
    »Wieso nicht? Wer sagt das?«
    Wir kommen zur Haltestelle, als gerade ein Bus hält. Und erst als wir uns hinsetzen, erinnere ich mich an die Zeitungsausschnitte, die noch in der Mappe gesammelt auf Taylors Schreibtisch liegen.

SARAH
    Marie sagt nichts. Kein Wort. Muss sie auch nicht: Ihr Gesicht spricht Bände. Sie geht durch die Küche und zur Hintertür hinaus. Ich folge ihr nach draußen. Sie beugt sich gegen den Sturm und umklammert den Laptop vor der Brust.
    »Warten Sie. Bitte warten Sie!«, rufe ich ihr hinterher. Am Tor bleibt sie stehen und ich hole sie ein. Der Regen schlägt uns ins Gesicht.
    »Ich bin clean«, sage ich zu ihr. »Ich hab noch nie was mit Drogen zu tun gehabt. Nie. Ist nicht mein Ding. Die Jungs nehmen was, aber sie lassen mich in Ruhe. Ich bin hier sicher. Wir sind hier sicher.«
    »Wie alt bist du, Sally?«
    »Neunzehn.«
    Ich weiß, dass sie mir nicht glaubt.
    »Das ist kein Ort für eine Neunzehnjährige.

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