Denen man nicht vergibt
seinen Vater niederschlagen würde. Das muss ein Eindringling gewesen sein.«
»Wie sieht Weldon denn aus?«, fragte Dane.
Carla Bender überlegte einen Moment. »Er ist hellblond, weißblond könnte man sagen, und er hat sehr helle Haut -so, als käme er nicht oft in die Sonne. Ich hab ihn mal im Scherz darauf angesprochen, und er hat nur gelacht und gemeint, er hätte sehr empfindliche Haut und möchte kei-
nen Hautkrebs kriegen. Wissen Sie, Agent Carver, was immer sein Vater brauchte, Weldon hat immer sein Okay gegeben. Ohne Zögern. Ein guter Sohn. Ich kann nicht glauben, dass er seinen Vater niedergeschlagen hat.«
»Ich auch nicht«, sagte Velvet Weaver, die gerade aus einem Badezimmer, ein Stückchen weiter den Gang rauf, herauskam. »Weldon ist wirklich nett, so still und höflich, ein ganz und gar friedfertiger Mensch, Gewalttätigkeit liegt ihm fern. Und wie hätte ihn sein Vater, dieser alte Mann, auch derart in Rage bringen können, dass er zuschlägt?«
Dane zeigte ihr Weldons Foto.
»Ja, das ist Weldon.«
Schwester Carla war derselben Meinung.
Sie sprachen mit den Pflegern, mit zwei Hausmeistern und ein paar Gärtnern. Jeder kannte Weldon DeLoach, aber keiner hatte ihn in der fraglichen Zeit, als sein Vater überfallen wurde, auch nur in der Nähe gesehen.
»Ich wünschte wirklich, nur einer hätte Weldon gesehen«, sagte Dane, während er Nick zu ihrem neuen Mietwagen, einem Pontiac Compact, zurückbegleitete. »Wenn auch nur in einem Umkreis von einem Kilometer, das würde schon reichen.« Er seufzte.
»Wenn es Weldon war, dann war er supervorsichtig. Oder er hat sich verkleidet, so wie vielleicht in San Francisco.«
Dane sagte nichts, und sie machten sich auf den Rückweg nach Los Angeles. Während der Fahrt gingen ihm alle möglichen Gedanken durch den Kopf, doch keiner davon führte zu etwas. Er hielt die Augen nach Harleys offen.
Kurz vor Mitternacht schlief Nick endlich ein und träumte prompt von dem Abend in Chicago, als sie beinahe von diesem schwarzen Auto überfahren worden wäre. Dann machte sie einen Sprung zu dem Vorfall in ihrer Wohnung, zu dem Mann, der dort Feuer gelegt hatte. Dann, auf einmal, starr
te sie den Mann auf der Harley an, wie er auf sie schoss, was das Zeug hielt.
O Gott, o Gott. Keuchend fuhr sie hoch. Jetzt war ihr alles klar. Das war drei Mal derselbe Mann gewesen.
Drei Mal derselbe Mann. Drei Mal hatte er versucht, sie zu töten, und zwar nicht deshalb, weil sie Zeugin des Mordes an Vater Michael Joseph geworden war, sondern weil er im Auftrag von Senator Rothman handelte, der ihren Tod wollte. Seltsam, wie ihr das plötzlich durch einen Albtraum klar geworden war, aber sie war sich jetzt hundertprozentig sicher.
Leise stand sie auf und zog ihr Nachthemd aus. Sie zog ihre Kleidung, ihre Schuhe an. Sie schaute hinüber zur Verbindungstür, holte tief Luft, ging hin und drehte lautlos den Knauf.
Sie hörte Danes regelmäßigen, langsamen Atem. Er schlief. Sie dagegen schien kaum zu atmen, als sie zur Sitzecke schlich und die Mietwagenschlüssel aus Danes Jackentasche fischte. Seine Brieftasche lag auf dem Tisch. Sie nahm sich eine Kredit-
karte heraus. Schließlich nahm sie noch seine SIG Sauer und ein zusätzliches Munitionsmagazin. Sie schaute zurück. Er schlief immer noch.
Nach einem letzten Blick auf den schlafenden Mann zog sie lautlos die Verbindungstür zu. Er war bereits einmal an- | geschossen worden, bei dem Versuch, sie zu beschützen.
Sie konnte den Gedanken nicht ertragen, dass er starb wie sein Bruder - ein sinnloser, brutaler Tod. Nein, sie durfte ihn nicht länger in Gefahr bringen. Sie war eine Zielscheibe, und solange sie bei ihm war, war er es auch, einfach deshalb, weil sie bis zum Grund ihrer Seele wusste, dass er sein Leben für sie geben würde, sollte sie noch einmal in Gefahr geraten.
Nein, das könnte sie nicht ertragen. Unmöglich. Im Übrigen hatte sie einen Plan. Wenn er fehlschlug, konnte sie im-
mer noch wieder untertauchen. Sie schlüpfte aus dem Zimmer und zog leise die Tür hinter sich zu.
Savich war es, der drei Türen weiter im Halbschlaf hörte, wie auf dem Parkplatz, nicht weit von ihrem Zimmer, der Motor eines Wagens ansprang. Er war sofort aus dem Bett und sah, nackt in der Hoteltür stehend, wie Danes Mietwagen vom Parkplatz fuhr und verschwand.
29
Sherlock seufzte. »Hat sie überhaupt Geld?«
»Viel kann’s nicht sein«, meinte Dane. »Und das heißt, sie wird trampen. Ach, Mist, nein, das
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