Denen man nicht vergibt
mochte. Hat er nie erwähnt.«
»Nein, wieso auch. Wollen Sie noch mal im Heim vorbeischauen? Haben Sie dort noch Sachen, die Sie abholen möchten?«
»Nein, danke. Man lernt dort sehr schnell, alles, was man hat, immer bei sich zu haben, sonst ist es in Sekundenschnelle weg.«
»Sie meinen wie die Radkappen, wenn man sein Auto in ’ner schlechten Gegend abstellt?«
Er fragte sich, was sie sich wohl noch umgebunden hatte, dort unter ihrem Pulli. Vielleicht Papiere, in denen stand, wer sie war? Oder wovor sie davonlief?
Er lauschte dem Rauschen der Dusche. Dann erhob er sich und trat ans Telefon. Er hatte die Nummer seiner Schwester schon fast ganz gewählt, als er den Hörer wieder auflegte. Nein, er konnte sich Eloise mit Mrs. Jones nicht vorstellen. Das wäre beiden gegenüber unfair. Eloise mit ihrem Kummer und Mrs. Jones mit ihrer Paranoia. Keine gute Kombination, nein, das konnte er seiner Schwester nicht zumuten. Er würde ihr schon vertrauen müssen, dass sie im Hotel blieb, während er mit Delion unterwegs war. Vorsichtig wickelte er ihr Glas in ein Taschentuch. Nun, da hatte er doch zumindest schon mal einen hübschen, deutlichen Daumenabdruck.
Als sie fast eine Stunde später wieder aus dem Bad auftauchte, hätte er beinahe seine Kaffeetasse fallen lassen. Keine Spur mehr von wegen Pennerin. Sie war blitzsauber, die Haare frisch gewaschen und geföhnt, und die Secondhandklamotten sahen auch nicht schlecht an ihr aus.
Sie sah richtig attraktiv aus. Es war ihm noch gar nicht aufgefallen, aber ihre Haare waren eher blond als braun, jetzt, wo sie sauber waren, aber mit vielen unterschiedlichen Schattierungen und einer leichten Naturwelle. Sie hatte sie wieder im Nacken zusammengebunden. Sie hatte graugrüne Augen und einen scharfen, intelligenten Blick. Ja, die Lady war ziemlich hübsch, wie er jetzt feststellte.
»Schon viel besser«, meinte er und war sehr zufrieden über den fast gleichgültigen Ton, in dem das rausgekommen war. Das Letzte, was sie jetzt gebrauchen konnte, war, fürchten zu müssen, dass er jeden Moment über sie herfallen könnte. »Ich muss wieder zurück in die Mordkommission. Ich möchte, dass Sie hier auf dem Zimmer bleiben. Schauen Sie fern, oder gehen Sie meinetwegen nach unten, und kaufen Sie sich ein paar Taschenbücher, nur bleiben Sie bitte im Hotel, klar?«
Er gab ihr fünfzig Dollar, doch sie schüttelte nur den Kopf, sodass er sich schließlich gezwungen sah, sie ihr in die Jeanstasche zu schieben. Sie hatte ihm noch immer nicht geantwortet.
Er sagte drängend: »Hören Sie zu. Sie müssen mir versprechen, dass Sie hier im Hotel bleiben.«
Sie gab sich geschlagen. »Na gut, ja, ich verspreche es.«
Auf dem Rückweg zur Bryant Street rief er auf seinem Handy seine Schwester an und hörte sich an, was sie in Bezug auf die Beerdigung veranlasst hatte.
Michael war tot. Und sie redeten über seine Beerdigung.
Dane konnte es kaum fassen, ertragen noch viel weniger. Anstatt also zurück zum Polizeipräsidium zu fahren, fuhr er auf die Bitte seiner Schwester noch einmal zur Kirche, um zu sehen, ob alles ordnungsgemäß klappen würde. Vater Binney erklärte, mit geröteten Augen und zitternden Händen, dass er bereits mit Bischof Koshlap und Erzbischof Lugano gesprochen habe. Alles war arrangiert, alle benachrichtigt. Vater Michael Josephs Beerdigung würde Freitagnachmittag in St. Bartholomäus stattfinden. Nachmittags deshalb, weil für den Vormittag schon eine andere Beerdigung angesetzt worden war. Die Totenwache würde Mittwochnacht stattfinden. »Es tut mir so schrecklich Leid«, stammelte er wieder und wieder. »Wenn ich ihn doch bloß nicht dazu gedrängt hätte, diesem Mann, diesem Ungeheuer, die Beichte abzunehmen. Es tut mir so Leid.«
Dane wünschte, er könnte Vater Binney nochmals sagen, dass es nicht seine Schuld war, dass es dieses Ungeheuer war, das hier in San Francisco vier Menschen umgebracht hatte, aber die Worte wollten ihm einfach nicht über die Lippen.
Danach fuhr er auf dem Weg zum Revier ein wenig zu schnell und wurde prompt von einer Motorradstreife angehalten.
Als er seinen FBI-Ausweis herzeigte, musste der Polizist lachen und sagte: »Sie sind wohl an ’nem ganz heißen Fall dran, was, Mann?«
Dane nickte nur.
»Also gut, diesmal bleibt Ihnen ein Strafzettel erspart, Agent. Aber passen Sie in Zukunft ein bisschen besser auf, ja?«
Dane bedankte sich bei dem Beamten und fuhr genauso schnell weiter, ohne sich um den dichten Verkehr zu
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