Deniz, die Lokomotive
Doch Vanessa dachte gar nicht daran. Sie war mit allen Wassern gewaschen. Zwei Meter vor mir stieg sie auf den Ball und blieb einfach stehen.
„Dich hab ich doch schon mal getunnelt!“, grinste sie frech. „Und weißt du was? Ich wette, das werd ich jetzt wieder tun.“
„Wetten tun nur Deppen!“, konterte ich und spannte die Muskeln an.
„Heißt das, du hast vielleicht Angst?“, spottete sie.
„Vergiss es!“, spuckte ich aus. „Ich rühr mich nicht von der Stelle!“
Doch meine Beine bäumten sich gegen mich auf. Sie wollten es ihr beweisen, und Vanessa wusste genau, was sie tat. Sie gab dem Ball einen Schubs. Die Kugel rollte nach vorn und blieb genau zwischen uns liegen.
„Dann hast du wohl Angst!“, säuselte sie wie ein mit Honig überbackener Skorpion. „Schade. Ich hab wirklich gedacht, dass du ein Wilder Kerl bist!“
Sie schaute mich abwartend an, und 20 Sekunden lang hielt ich ihrem Blick stand.
„Okay! Wie du willst! Die Wette gilt!“, zischte ich und stürmte im selben Moment Richtung Ball.
Vanessa reagierte blitzschnell. Ich konnte ihre Bewegung nur ahnen. Auf jeden Fall grätschte ihr rechtes Bein vor, und ihre Fußspitze bugsierte das Leder irgendwie durch meine Beine hindurch in den Bierträger rein.
Ich wollte es einfach nicht glauben. Ich Deniz, der Sieger, die in Zukunft beste Nummer 9 auf der Welt, hatte gegen ein Mädchen verloren, und völlig erschöpft und sprachlos sank ich auf die Knie.
Leon und Fabi steigen aus
Eine halbe Stunde nach meiner Niederlage gegen Vanessa hatte ich mich immer noch nicht bewegt. Ich hockte auf dem Rasen und beobachtete, was ungefähr zehn Meter von mir entfernt vor dem Kiosk geschah.
Dort hatten sich die Wilden Kerle versammelt, um über mich zu beraten. Doch die Diskussion verwandelte sich schnell in einen heftigen Streit.
„Abstimmen? Warum?“, protestierte Leon. „Soll ich es euch tausendmal sagen? Wir sind bereits zwölf, und jeder, der dazu kommen wird, ist einer zu viel!“
„Ja, genau!“, bestätigte Fabi. „Wenn ihr Deniz aufnehmt, sitzt einer von euch noch öfter auf der Bank.“
„Einer von uns?“, fragte Marlon verwundert. „Dass ich nicht lache. Deniz gehört in den Sturm. Er spielt für Leon oder für dich auf Rechtsaußen.“
„Ja, und wenn ihr mich fragt, tut er das auch verdammt gut“, fügte Vanessa mutig hinzu.
Fabi wurde knallrot.
„Was du nicht sagst. Gegen dich hat er doch gerade verloren! Heiliger Muckefuck! Wollt ihr einen Jungen in die Mannschaft aufnehmen, der gegen ein Mädchen verliert?“
Vanessas Augen verengten sich zu Schlitzen.
„Meinst du das ernst?“
„Und ob wir das meinen!“, sprang Leon seinem besten Freund Fabi jetzt bei.
„Okay! Ihr habt das alle gehört!“, fasste Vanessa zusammen. „Und wenn das so ist, müssen auch Fabi und Leon die Mannschaft verlassen. Immerhin hab ich sie auf meinem Geburtstagsfußballturnier besiegt.“
Jetzt war es still. Leon und Fabi schauten zu Willi, doch der sagte wie immer kein Wort. Er war ganz anders als Böckmann vom TSG Hertha 05 . Für den waren wir kleine Maschinen, die er fernsteuern wollte. Doch Willi hörte nur aufmerksam zu, und er nahm jeden ernst. Egal, was er sagte. Jeder hatte das Recht auf eine andere Meinung. Deshalb wartete er jetzt auf die nächste Wortmeldung. Und damit es nicht ganz so schwer fiel, stand er auf, ging zum Kiosk und verteilte Apfelsaftschorle für alle. Außer natürlich für mich.
„Ich denke, Vanessa hat Recht!“, meldete sich Marlon zu Wort. „Deniz ist verflixt gut, und er wär mit Sicherheit eine Verstärkung.“
„Das stimmt!“, beeilte sich Felix zu sagen. „Und wenn wir ihn wegschicken, nur weil wir Angst haben, ist das mit Sicherheit falsch!“
„Dass ich nicht lache!“, amüsierte sich Leon.
„Glaubt ihr, ich fürchte mich vor dem Kerl?“
„Nicht vor dem Kerl“, sagte Rocce trocken. „Sondern vor dem, was er kann.“
„Okay! Ich hab es verstanden!“ Leon stand auf. „Ihr glaubt also alle, er ist besser als wir? Besser als Fabi und ich?“
Er dampfte vor Wut, und Fabi dampfte genau so, als er sich neben ihn stellte.
„Wenn das so ist, warum spielt ihr dann nicht mit ihm?“, schlug er vor.
„Ganz genau!“, bestärkte ihn Leon. „Doch wenn er kommt, sind wir beide weg.“
WUUUUSCH!
Wie der Hieb einer mächtigen Axt zertrümmerte dieser Satz jedes Geräusch. Es war so still, wie es nur in der größten Gefahr still sein kann. Und das Blut pochte uns in den Ohren. Ja
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