Denk an unsere Liebe
klatschte?
Gut. Möge es seinen Gang nehmen. Toni schüttelte die Haarmähne und fühlte einen herrlichen Trotz in sich. Hatte sie nicht mit jedem Wort recht gehabt? Oh, sie würde sich schon zu verteidigen wissen, wenn jemand ihr etwas vorwarf.
Sie ging die Treppe hinunter und hielt vor der Drehtür zur medizinischen Station einen Augenblick an. Ihre Gedanken schweiften zu Nummer 32 da drinnen, dem Einzelzimmer mit dem bärbeißigen Mann, der sie beschuldigt hatte, seine Seele retten zu wollen.
Toni war heute zu einem kleinen Streit herrlich aufgelegt. Sie war voller Trotz, wie nie zuvor, und gleichzeitig war es ein gewisser Sportgeist, der sie zu einem erneuten Versuch bei dem grantigen Mann anspornte. Wie hieß er doch gleich? Wolter, Ingenieur Wolter. Magengeschwür. Ja, der Arme, da konnte man schon in schlechte Laune geraten, wenn man flach liegen mußte und bloß Milch und einen dürren Keks im Tag bekam. Dieser Zornteufel!!
Toni ging rasch den Korridor entlang und klopfte an die Tür von Nummer 32. Eine mürrische Stimme brüllte höchst ungnädig: „Herein!“
„Guten Morgen“, sagte Toni.
„Zum Kuckuck – da ist ja diese rothaarige Hexe wieder!
Meiner Seele geht es ganz gut, danke, die hat es nicht nötig, gerettet zu werden.“
„Gut“, sagte Toni. „Im übrigen fühle ich mich nicht kompetent, Seelen zu retten, weder Ihre noch andere. Ich wollte Sie nur auf die Dienste aufmerksam machen, die das Krankenhaus den Patienten bietet, aber wenn Sie keinen Gebrauch davon machen wollen – Sie müssen schon ein einzigartiger Mensch sein, wenn Sie hier auf dem Krankenbett liegen und gar keinen Wunsch haben.“
„Wer hat gesagt, daß ich keinen Wunsch habe? Ich wünsche mir ein blutiges Beefsteak und ein Kilo Kartoffeln.“
„… und eine Portion Irish-Stew und ein Glas Bier, ja, sehn Sie, das verstehe ich. Und wenn ich diesen Wunsch erfüllte, würden Sie einen Rückfall bekommen und ich meine Entlassung. Aber wenn Sie Wünsche in Richtung auf Lesestoff haben, oder Telefonbescheide und dergleichen, so melde ich mich zu Diensten.“
„Oder eine kühle Hand auf die Stirn vielleicht?“ Jetzt war der Tonfall spottend, aber nicht unbeherrscht.
„Meine Hände sind in der Regel warm“, sagte Toni. „Außerdem ist das mit kühlen Händen altmodisch und wenig rationell. Ein Eisbeutel ist wirksamer.“
„Auf den Mund sind Sie jedenfalls nicht gefallen“, grunzte Ingenieur Wolter. Jetzt war der Tonfall etwas friedlicher.
„Also, Sie wollen nicht, wie Ihr Kollege, der Krankenhauspastor, mich davon überzeugen, daß ich ein großer Sünder bin?“
„Ihre Sünden gehen mich nichts an“, sagte Toni. „Außerdem müßte ich Ihr ganzes Leben gekannt haben, um mich darüber aussprechen zu können. Also lasse ich das lieber sein.“
Jetzt richtete Ingenieur Wolter ein Paar ehrlich erstaunte Augen auf Toni. „Na hören Sie mal, Sie haben ja tatsächlich ein bißchen Vernunft!“
„Sie schmeicheln“, sagte Toni, „kann ich das schriftlich bekommen?“
„Setzen Sie sich“, sagte Ingenieur Wolter, „und ordnen Sie Ihre Haare, die sehen ja aus wie ein Krähennest.“
„Ist das nicht erfrischend für Sie, nachdem Sie so lange Zeit nur nette und ordentliche Schwestern gesehen haben?“ lachte Toni. Sie setzte sich und fuhr mit den Fingern durch das Haar. „Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß Sie mich selbst gebeten haben, Platz zu nehmen, ich bin also nicht zudringlich. Was wünschen Sie sich also noch, außer Beefsteak und Irish-Stew?“
„Zuerst will ich wissen, was Sie eigentlich in dieser Anstalt treiben. Sagten Sie, daß Sie Kurator sind?“
„Das sagte ich, und das sage ich auch jetzt noch.“
„Also doch eine Art Seelenarzt?“
„Von mir aus gern, wenn Sie es so nennen wollen. Ich versuche, nach bescheidenen Kräften ein Bindeglied zu sein zwischen der Krankenhauswelt und der übrigen Welt, rede mit den Patienten, versuche, ihnen bei ihren Problemen zu helfen…“
„Aha! Und dazu fühlen Sie sich kompetent?“
„Im allgemeinen sind die Probleme nur klein. Im übrigen bin ich ausgebildete Psychologin. Und Sie haben mir ja Vernunft zugebilligt. Sollte es da nicht gehen?“
„Und Sie meinen, die Ärzte und Schwestern können diese Probleme ohne Ihre Hilfe nicht lösen?“
„Die Arzte kriegen von diesen Problemen gar nichts zu hören, weil neunzig Prozent der Patienten einen heillosen Schreck vor Ärzten haben und vor dem Doktor zu gehorsamen Schulkindern werden. Und
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