Denk an unsere Liebe
durchmachte, da war es Ihre Frau, die mir hindurchhalf, weil - ja, weil sie verstand. Und das vergißt man nicht. Wenn irgendein Mensch auf seinen richtigen Platz hier im Leben gekommen ist, so sind Sie es, Frau Löngard. Und Gott segne Sie für alles, was Sie an mir getan haben.“
Toni war bewegt und rot und verlegen. Eivind starrte sie unverwandt an. Er wußte, daß sie tüchtig war, wußte von anderer Seite, daß sie im Krankenhaus beliebt war. Aber dies - dies war trotzdem etwas Neues…
Frau Torverud blieb eine halbe Stunde sitzen. Dann drückte sie Tonis beide Hände zum Abschied. Und dann fiel die Türe hinter ihr zu.
Toni lächelte in sich hinein, fern und abgewandt, während sie den Kaffeetisch abräumte. Als alles in Ordnung war, kam sie und setzte sich, nicht in Eivinds Armbeuge auf den Diwan, sondern in einen Stuhl vor dem Kamin. Sie saß vornübergebeugt, das Kinn in die Hände gestützt, und der Schein des Kaminfeuers spielte in ihren roten Locken. Sie bat Eivind nicht, das Radio anzudrehen, den Likör, von dem sie gesprochen, hatte sie vergessen. Ihre Gedanken waren weit weg.
Eivind schaute sie an. Sie war jetzt weder das muntere Mädchen noch die süße, kleine, Jungverheiratete Hausfrau. Sie war eine erwachsene Frau mit einer Lebensaufgabe, eine erwachsene, reife Frau mit einem warmen Herzen und einer wachen Intelligenz. Und Eivind wußte mit schmerzhafter Gewißheit, daß er sie nie, nie ganz besitzen würde, sondern nur die Wahl hatte, sie so zu besitzen, wie sie jetzt war, oder sie gar nicht zu haben.
Also gab es überhaupt keine Wahl. Toni entbehren, das konnte er nicht. Und der Schmerz verband sich mit dem Stolz auf sie. Dieses Menschenkind, das so viel Gutes tat, so große Dinge ausrichtete, einer Unzahl von unglücklichen, kranken, mutlosen Menschen half, Männern und Frauen, dieses kleine Menschenkind gehörte ihm! Sie trug seinen Namen, war Hausfrau in seinem Heim, war sein Kamerad, seine Geliebte…
Er erhob sich, ging leise zu ihr hin und strich ihr über die Haare. Dann legte er ein neues Scheit in den Kamin. Er blieb in halb kniender Stellung sitzen und gebrauchte den Blasebalg, bis es richtig in den Scheiten prasselte.
Er erhob sich nicht sofort wieder, sondern beugte den Kopf und stützte die Stirn gegen Tonis Knie. Und als ihre Hand die seine fand, küßte er sie zärtlich.
Das Telefon auf Tonis Schreibtisch klingelte. „Guten Morgen, Frau Löngard. Hier ist Schwester Margrete, zweite Chirurgische. Können sie einen Sprung auf Nummer 11 kommen? Zweibettzimmer. Frau Rolfsen.“
„Jawohl, Schwester Margrete. Diagnose?“
„Blinddarmentzündung. Soll nachmittags operiert werden. Ich weiß wirklich nicht, was plötzlich über die Frau gekommen ist. Am Morgen war sie noch ganz ruhig, aber jetzt hat sie einen Weinkrampf und jammert immerzu: ,Ist denn niemand da, der mir helfen kann?’ Aufrichtig gesagt, wir haben so wahnsinnig zu tun auf unserer Station, daß ich dachte…“
„Ich komme sofort, Schwester.“
Toni lief durch den Krankenhausgarten, hinauf auf die Station und hinein in Nummer 11.
Im Bett beim Fenster lag eine vierzig- bis fünfzigjährige Frau und heulte laut.
Toni lauschte und hörte dieselben Worte: „Ist denn niemand da, der mir helfen kann?“
Toni ging rasch zum Bett, nahm eine heiße, zitternde Hand in die ihre und sprach mit ihrer ruhigen, freundlichen Stimme:
„Wir können Ihnen sicher helfen. Sagen Sie bloß, was Ihnen fehlt, dann helfen wir Ihnen.“
„Schwester“ – es gab viele Patienten, die Toni so nannten –, „muß diese Operation sein?“
„Das muß sie schon, wenn der Doktor das findet. Aber meine Liebe, wegen so einem kleinen Blinddarm brauchen Sie doch nicht nervös zu werden.“
„Operationen sind doch immer gefährlich“, jammerte die Patientin. Sie drehte das Gesicht zu Toni, ein schreckensbleiches Gesicht. Die Patientin schwitzte und lag unruhig im Bett.
„Liebe Frau Rolfsen, ich selbst bin auch am Blinddarm operiert, das war wirklich nichts. Fühlen Sie sich denn so schlecht?“
„Nein, ich – denke bloß dran, daß ich in einigen Stunden auf dem Operationstisch liege, und dann schneiden sie mich auf, und ich weiß nicht, was sie finden, und vielleicht ist es eine Entzündung in der Bauchhöhle.“
Toni tat etwas, was sie im allgemeinen nicht tat. Sie warf einen Blick auf die Fiebertabelle über dem Bett. Sie betrachtete das sonst als eine Indiskretion. Die Fieberkurve war für Ärzte und Schwestern, nicht für
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