Denk an unsere Liebe
besucht, sondern einen taktlosen Burschen mit Namen Wolter, ich habe versucht, ihn ein bißchen in bessere Stimmung zu bringen. Und ich lege keinen Bericht ab und gehe nicht ans nächste Krankenbett und sage dort genau dieselben Worte, die ich Ihnen gesagt habe. Natürlich ist dies mein Beruf, aber ich freue mich an meiner Arbeit, und ich habe jedenfalls bis jetzt wirklich für jeden Fall etwas von mir selbst gegeben. Damit Sie es wissen!“
Toni warf die Tür hinter sich zu. Sie kochte vor Wut. Sie biß die Zähne zusammen und ging rasch die Treppen hinunter in ihr kleines Büro.
Was für ein Vormittag! Zuerst diese Geschichte mit Frau Rolfsen und dann Ingenieur Wolter. Was würde wohl jetzt noch kommen?
Toni sank ermattet an ihrem Schreibtisch nieder und wartete, was das Schicksal weiter bringen würde.
Sie brauchte nicht lange zu warten. Knapp fünf Minuten waren vergangen, da klopfte es kräftig und energisch an ihre Tür, und herein trat die von allen am meisten gefürchtete Schwester, nämlich die Oberschwester von der zweiten Chirurgischen.
„Sagen Sie mal, Frau Löngard“, fing sie ohne jede Einleitung an, „was haben Sie denn auf Nummer 11 angestellt?“
„So“, sagte Toni. „Jetzt geht’s los. Was gibt’s denn eigentlich?“
„Fragen Sie Doktor Lambert“, sagte die Oberschwester. „Er hat gerade zwei Spritzen gegeben, die Patientin hatte einen Weinkrampf nach Ihrem Besuch. Nun will ich wissen, was da vorgefallen ist.“
„Das begreife ich nicht“, sagte Toni, „ich habe so beruhigend auf sie eingesprochen, wie ich nur konnte. Frau Rolfsen war wirklich ruhig, als ich ging.“
„Frau Rolfsen, ja. Aber was haben Sie mit Frau Grönberg gemacht?“
„Ach, die? Ja, die habe ich ausgezankt.“
„Und das sagen Sie mit gutem Gewissen? Ich will Ihnen etwas anderes sagen, Frau Löngard. Ich möchte mir ein für allemal verbeten haben, daß Sie mit Ihrer sogenannten Kuratorwirkung die Patienten in einen solchen Zustand versetzen. Es muß Grenzen geben für die Freiheiten, die Sie sich herausnehmen.“
„Sagen Sie mir eins, Oberschwester“ – Toni beherrschte sich nur mit Mühe. „Was würden Sie an meiner Stelle getan haben? Die Stationsschwester bat mich, zu Frau Rolfsen zu kommen, weil sie ganz außer sich war vor Nervosität. Es stellte sich heraus, daß Frau Grönberg sie mit Greuelschilderungen von Operationen vollgepumpt hatte. Ich wurde rasend, das gebe ich zu, und ich zankte diese dumme Ziege aus, das gestehe ich ebenfalls. Ich räume auch ein, es war unkorrekt von mir – aber bedauern kann ich es nicht.“
„Nicht einmal dann, wenn Sie bedenken, welche Extraarbeit Sie uns damit verschafft haben?“
„Das tut mir leid, Oberschwester, aber ich behaupte weiterhin, daß Frau Grönberg eine Zurechtweisung verdiente.“ Die Oberschwester musterte sie streng von Kopf bis Fuß.
„Ja, Frau Löngard, ich bin genötigt, dies dem Chefarzt zu melden. Ich war ja die ganze Zeit gegen diesen verrückten Einfall. Ich habe zwanzig Jahre in der Krankenpflege gearbeitet, und wir sind sehr gut ohne Kurator ausgekommen oder wie man das nennt, was Sie betreiben.“
„Bitte, sprechen Sie sich nur aus!“ Toni kochte jetzt vor Wut. „Wenn Sie sich überhaupt kompetent fühlen, über mich Gericht zu halten. In diesem Fall müßten Sie die Sache von beiden Seiten hören. Aber, Sie irren sich, wenn Sie glauben, daß ich eine furchtsame Lehrschwester bin, die Sie auszanken können. Zugegeben, ich war unbeherrscht gegen diese Klatschbase. Aber sie hat es wirklich verdient, und wenn Sie mir etwas in dieser Sache zu sagen haben, dann sagen Sie es!“
Die Oberschwester wurde brennendrot, machte eine Kehrtwendung und knallte die Türe hinter sich zu. Toni sank erschöpft in einen Stuhl. Ein schöner Salat! Jetzt war sie bei der allmächtigen Schwester Emilie in Ungnade gefallen. Das konnte heiter werden! Mahlzeit!
Toni dachte über diesen Weinkrampf nach. Doktor Lambert hatte zwei Spritzen gegeben, hm. Doktor Lambert war der jüngste Arzt. Vielleicht hatte diese Dame den Krampf nur simuliert, und der junge, unerfahrene Arzt hatte die Komödie nicht durchschaut?
Es war wohl falsch, so zu denken, Toni war ja kein Arzt.
„Nein“, rechtfertigte sie sich im stillen, „aber ich verstehe mich doch ein wenig auf Menschen.“
Es verging eine halbe Stunde, da wurde sie zum Chefarzt gerufen.
„Jetzt kracht’s“, dachte Toni. Aber sie war weder ängstlich noch nervös, dazu war noch zu viel
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