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Denk an unsere Liebe

Denk an unsere Liebe

Titel: Denk an unsere Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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daheim.
    Und mit einem Ruck wandten sich ihre Gedanken den Pflichten gegenüber Eivind zu. Großer Gott – sie mußte ja in die Gesellschaft! Mußte liebenswürdig und lächelnd und geistreich sein, alle mußten einen guten Eindruck von der Gattin des jungen Abteilungsleiters bekommen. Sie mußte um Entschuldigung bitten, weil sie zu spät kam, und dafür doppelt gefallen.
    Toni fühlte beinahe Übelkeit bei dem Gedanken. Sie zog sich das knisternde dunkelgrüne Moirekleid an, legte die antike Goldkette um ihren Hals, die sie am Hochzeitstag von ihrer Schwiegermutter bekommen hatte. Sie blickte in den Spiegel.
    Wie blaß sie war! Ihre Sommersprossen waren nicht mehr drollig und munter, die verlangten Farbe in den Wangen und ein strahlendes Lächeln. Keines von beiden konnte sie im Augenblick bieten. Jetzt war sie blaß und müde, mit Ringen unter den Augen. Die Sommersprossen ergossen sich über ihr Gesicht wie kleine braune Inseln. Sie wußte gut, daß sie nicht hübsch war, aber sie wußte auch, daß die Leute ihr Gesicht gern hatten, weil es immer munter war und lächelte. Sommersprossen, rotes Haar und Stupsnase erfordern absolut gute Laune.
    Sie telefonierte nach einem Taxi. Und im Taxi saß sie mit geschlossenen Augen und versuchte sich zu sammeln. Was sollte sie sagen – wovon sollte sie reden?
    Die Gesellschaft war gerade beim Nachtisch angekommen, als sie eintraf. Toni ärgerte sich. Warum hatte sie nicht noch etwas gewartet, dann hätte sie still und beinahe unbemerkt beim Kaffee erscheinen können. Nun verursachte sie großen Aufruhr, mit extra Aufdecken und Servieren, und die andern Gäste mußten warten, während sie nervös und eilig sich durch das gute Menü aß, ohne zu wissen, was sie zu sich nahm.
    Um sie herum wurde geredet. Zu ihrer Rechten sprach man von Politik, zur Linken von Kunst. Die Frau des Direktors tauschte mit der Frau des Depotchefs Meinungen aus über die neue Nerzjacke einer bekannten Schauspielerin. Es surrte um Toni herum, und sie entdeckte zu ihrem Erschrecken, daß alles, was geredet wurde, ganz neu für sie war. Marshallplan und Kunstausstellung und Pelzwerk, alles floß in ihrem müden Kopf zu einer unordentlichen Masse zusammen. Sie entdeckte auch, daß sich der Direktor mächtig anstrengte, um ein Gespräch mit ihr in Gang zu bringen.
    Auf einmal erfaßte sie, daß Eivind sprach. Es war seine Stimme, die sie hörte, und sie sprach ganz allein. Er sagte etwas, worauf alle hörten. Die Stimme war so sicher, so angenehm, er sprach von etwas, worüber er Bescheid wußte…
    „Ich kann mit Ihnen nicht ganz einig sein, gnädige Frau“, hörte Toni ihn sagen. „Vandalismus möchte ich es jedenfalls nicht nennen, wenn zum Beispiel Stokowsky Bachs Orgelkompositionen für Orchester eingerichtet hat. Wir müssen daran denken, daß das Orchester zu Bachs Zeiten gar nicht existiert hat, das heißt, kein Orchester von dem Umfang, wie wir sie heute haben.“
    „Ja, aber Orgelmusik ist doch etwas anderes als ein Orchester“, wandte eine Reedersfrau ein; sie war es, welche das Gespräch auf Musik gebracht hatte.
    „Ja, für Bach war die Orgel das beste Instrument, das volltönendste, das, was sich am besten für seine Kontrapunktik eignete. Aber ich glaube doch, wenn er ein großes Orchester zur Verfügung gehabt hätte, würde er das mit Freude benützt haben, ebenso wie er ganz sicher für Klavier komponiert haben würde, statt für Cembalo, wenn es schon erfunden gewesen wäre.“
    Toni hörte mit offenem Mund zu. War das ihr Eivind? Ihr gleichmäßiger, ruhiger Ehemann? Warum sprach er nie mit ihr über so etwas? Sie wußte wohl, er liebte Musik sehr.
    Er hörte sich auch alle guten Konzerte im Radio an, aber nun sprach er in jenem bestimmten Ton, den man hat, wenn man auf vertrautem Boden steht und seiner Sache sicher ist.
    Und Toni erinnerte sich plötzlich, daß Eivind dieselbe Stimme gehabt hatte, als er mit Frau Brachfeldt von Malereien sprach.
    Wieso mußte sie in Gesellschaft gehen, um diese neuen Seiten ihres Mannes zu entdecken?
    Ihr müdes Gehirn konnte das Problem nicht lösen, und sie verstand nicht, daß sie selbst die Schuld trug, wenn Eivind seine Interessen nicht mit ihr teilte.
    Sie erhoben sich vom Tisch und nahmen den Kaffee im Rauchzimmer. Toni fand einen ruhigen Winkel, sie versuchte, sich zu entspannen und zu sammeln.
    „Ich muß mit Johann reden – mit Johann reden…“
    Was hatte Ingenieur Wolter gesagt?
    „Können Sie sich als Privatmensch mit anderen

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