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Denk an unsere Liebe

Denk an unsere Liebe

Titel: Denk an unsere Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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dabeilag.
    „Lieber Seelenarzt Fünkchen!
    Wenn unsere Freundin Karete den Auftrag begreift, den ich ihr in Hinsicht Blumenhandlung usw. gebe, so werden Sie morgen von mir einen Gruß bekommen, als Abbitte für mein sicher ungehobeltes Benehmen von heute. Wenn Sie es vermögen, mir zu verzeihen, seien Sie bitte so nett, es zu beweisen, indem Sie bei mir hereinschauen. Ich werde mich artig aufführen, in den mir möglichen Grenzen. Und da Sie ja ein berufsmäßiger seelischer Mülleimer sind, könnte es sein, daß auch ich etwas Müll für Sie habe.
    Ihr reuevoller…“
    Toni drehte die Karte um.
    Harald Wolter, Ingenieur M.N.I.V
    Sie las die Karte nochmals und lachte. Er war doch wirklich ein zu komischer Kauz, dieser Ingenieur Wolter! Und Schwester Karete schien ihn verstanden zu haben – oder vielleicht war die Dame im Blumengeschäft besonders verständnisvoll, denn der Strauß war wirklich ein Traum.
    Am liebsten wäre sie gleich zu Wolter gelaufen, aber schicklicherweise mußte sie wohl eine Weile warten. Außerdem hatte sie andere Besuche zu machen. Zu allererst wollte sie nach Frau Rolfsen sehen, die gestern operiert worden war. Und dann war da das junge Mädchen mit Knochenmarksentzündung, außerdem mußte sie heute in einen der Kindersäle. Und zwischen eins und zwei sollte sie in ihrem Büro sein, falls einer der aufgestandenen Patienten sie zu sprechen wünschte.
    Toni zog sich einen reinen, weißen Kittel an und fuhr mit dem Kamm durch die Haare. Dann begab sie sich in strahlender Stimmung an die Arbeit.
    Erst gegen halb eins kam sie zu Wolter. „Guten Morgen, Fünkchen! Wie viele Seelen haben Sie heute verarztet?“
    „Ein paar Dutzend. Ich pflege immer mindestens zwölf am Vormittag zu retten, sonst schmeckt mir das Mittagessen nicht. – Tausend Dank für die Blumen, Herr Wolter, sie sind wunderschön.“
    „Und Sie haben mir also vergeben?“
    „Ach, Gott, wenn es nicht schlimmere Sachen zu verzeihen gäbe, dann wäre es nicht gefährlich. Übrigens weiß ich sehr gut, was Ihnen fehlt. Sie sind ein so ausgeprägter Individualist, daß Sie es nicht vertragen können, bloß eine Nummer in einer Reihe zu sein. Habe ich nicht recht?“
    „Aha, Sie wollen also doch Moral predigen und mich reformieren. Der Teufel soll Weibern trauen! Aber setzen Sie sich trotzdem, und erklären Sie mir, was Sie mit dem Unsinn meinen, den Sie da verzapfen.“
    „Zuerst: Warum liegen Sie in einem Einzelzimmer?“
    „Weil es mir da erspart bleibt, so verdammt zeitig geweckt zu werden, und weil ich das Licht am Abend länger brennen lassen kann.“
    „Ja, denn es kann ja nicht wegen des Essens sein.“
    „Nein, das kann man wohl sagen. Ich würde ein Monatsgehalt für die einfachste Mahlzeit geben, die im Saal serviert wird.“
    „Es ist also etwas in Ihnen, das dagegen protestiert, wie alle anderen behandelt zu werden, nicht wahr? Sie wissen, daß in den großen Sälen alles wie nach der Schnur gehen muß, und das wollen Sie nicht. Aber es ist nun die Frage, wäre das so viel schlimmer für Sie als für alle anderen?“
    „Ja, zum Teufel, weil ich nun mal diese Einstellung habe. Ich will das Recht haben, Mensch zu sein, ich will nicht zu einem gehorsamen kleinen Schuljungen degradiert werden, der vor einem Haufen Frauenzimmern kriecht, bloß weil sie eine weiße Haube aufhaben – oder in den Hosen zittern vor einem Mann, weil er zufällig ein medizinisches Staatsexamen hinter sich hat. Ich will das Recht haben, ich selbst zu sein, und nicht eine unmündige Kreatur in einem Saal.“
    Toni brach in Lachen aus.
    „Ich hab’s ja gesagt! Sie sind ein so ausgeprägter Individualist, daß Sie es nicht vertragen, bloß eine Nummer in einer Reihe zu sein. Auch nicht in der Reihe von Menschen, mit denen ich zu tun habe. Nicht wahr, Sie wollen, daß die Ärzte sich zuerst um Ingenieur Wolter kümmern und danach erst um alle anderen Patienten? Sie wollen, daß ich mit den anderen Patienten nur so allgemein plaudere, aber individuell mit Ihnen. Ist es nicht so?“
    „Ja, zum Kuckuck, gewiß; so ist es. Ich hasse die berufsmäßige Teilnahme, die berufsmäßige Seelenpflege, die berufsmäßige Freundlichkeit. Ich mag Sie gern, weil Sie so herrlich wenig berufsmäßig sind. Jedenfalls wirken Sie so. Und wenn Sie trotz allem doch berufsmäßig sind, hier, bei mir, dann sind Sie es so verteufelt geschickt, daß es unheimlich ist.“
    „Vielen Dank. Ich sollte Ihre individuellen Schwachheiten natürlich nicht unterstützen,

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