Denk an unsere Liebe
Bewegungen.
„Nein, was für eine Überraschung, Toni! Setz dich nieder. Ach, schiebe den Aschenbecher zur Seite, Eivind. Ich mache etwas mehr Kaffee, nicht wahr?“
„Mache meinetwegen keine Umstände“, sagte Toni, und sie hörte selbst, daß ihre Stimme flach und tot war.
„Das wäre ja noch schöner!“
„Siv, du mußt sicher auch noch etwas Kuchen mit hereinbringen. Ich habe hier unverschämt reinen Tisch gemacht. Haben wir noch etwas vom Sandkuchen übrig?“
„Das glaubst du doch selbst nicht? Du mit deinem Kuchenappetit? Aber ich habe noch etwas anderes für euch. Leg noch ein Scheit in den Kamin, Eivind, dann komme ich sofort mit dem Kaffee.“
Siv verschwand lächelnd mit der Kaffeekanne in der Hand, und Eivind richtete den Blick auf Toni.
„Nett, dich zu sehen, Toni. Wie geht es dir?“
„Danke, gut. Recht anstrengend, aber…“
„Du siehst müde aus.“
„Ach, das geht bald wieder vorüber. War bloß ein bißchen zu viel in den letzten Tagen. Ich bin eigentlich nur auf einen Sprung hierher gekommen, um meinen Morgenrock zu holen, Eivind, ich habe ihn beim Packen vergessen…“
„Holst du ihn dir selbst? Es sind noch andere Sachen von dir im Schrank, vielleicht ist da noch mehr, was du brauchst.“
Toni stand auf und ging ins Schlafzimmer. Sie blieb in der Türe stehen und mußte plötzlich krampfartig schlucken. Der Raum war verändert. Ihr Bett war fort. Eivinds Bett stand längs der Wand, wie in seinen Junggesellentagen, und der Raum sah so verlassen aus, trug männliches, junggesellenhaftes Gepräge. Die Kleinigkeiten, die einem Zimmer die weibliche Note gaben oder das Aussehen eines ehelichen Schlafraums, waren fort.
Es war, als ob dieses nüchterne Zimmer Toni entgegenschrie, sie wäre hier überflüssig. Eivind hätte sie aus seinem Dasein gestrichen.
Und in der Küche pusselte Siv ganz selbstverständlich herum. Siv mit dem blanken hellen Haar und der schmiegsamen Weiblichkeit. – Siv, die häuslich und musikalisch war, und überhaupt all das, was sie selbst nicht war. – Zum ersten Male ging es Toni auf, daß Siv gefährlich sein konnte. Gefährlich? Was dachte sie sich eigentlich? Konnte sie erwarten, daß Eivind ein Eremitenleben führen sollte? Klar, daß er den Drang nach netter weiblicher Gesellschaft hatte – und konnte er eine idealere Kameradin finden als Siv?
Hatte Toni sie ihm nicht sozusagen in die Arme gelegt?
Sie hatte in dieser Zeit oft an Eivind gedacht. Ja, im Grunde dachte sie immer an ihn. So sehr sie auch beschäftigt war, der Gedanke an ihn lebte immer im Hintergrund an einer Stelle ihres Bewußtseins. Sie sah ihn in Gedanken in der Bank, in dem hübschen geräumigen Büro des Abteilungsleiters, das sie kurz besichtigt hatte. Sie sah ihn daheim oder am Klavier oder mit einem seiner Bücher. Aber nie hatte sie sich ihn als aufwartenden Kavalier gegenüber einer anderen Frau vorgestellt.
Als sie wieder ins Zimmer kam, hatte Siv Kaffee gemacht und eine Platte mit delikaten, kleinen Wecken hingestellt.
„Sie sind leider von gestern“, sagte Siv, „ich habe sie nur aufgebacken.“
„Ich finde, sie schmecken köstlich“, sagte Eivind. „Gestern waren sie beinahe zu frisch.“
„Ich danke, wenn du in der Küche stehst und sie direkt aus dem Ofen ißt!“
Jedes kleine vertrauliche Wort zwischen ihnen schmerzte Toni. Diese kleinen Alltagsbemerkungen, dieser gemütliche, neckische Ton, der tägliches Beisammensein und gute Kameradschaft verriet – wenn nicht mehr –, brannte in ihr.
Es kostete sie unendlich viel, ein höfliches Gespräch in Gang zu halten. Und sobald der Kaffee getrunken war, stand sie auf, unter dem Vorwand, eine Arbeit warte auf sie. Beide begleiteten sie hinaus. Siv machte keine Miene, ebenfalls zu gehen – und Toni konnte also keinen Augenblick allein mit Eivind sprechen.
Übrigens, warum sollte sie allein mit ihm sprechen? Wovon sollten sie sprechen? Ja, im Grunde hatten sie wohl zusammen zu reden. Es war ja zwischen ihnen noch nichts gesetzlich geordnet. Sie mußten nun endlich einen formellen Scheidungsantrag einreichen. Dieser Zustand war ja weder Fisch noch Fleisch.
Toni ging die dunkle Treppe hinunter, und die Einsamkeit war quälender als je zuvor.
Als sie die Straße betrat, hörte sie aus der Wohnung Musik. Sie blieb stehen und lauschte…
Sie spielten die Ouvertüre zu „Figaros Hochzeit“. Jetzt spielten sie ganz fließend, und sie erinnerte sich noch, wie sie vor einiger Zeit bemüht waren, das Tempo
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