Denk doch, was du willst
Nächstes brauche ich hundert Mark.» Die Sache ist wirklich schon lange her, damals gab es noch kein Internet, keine Mails, keine Casting-Shows, keine Navigationssysteme – und keine Euros. Die Reaktion war jetzt meistens ein nervöses Lächeln, so auch im Fall des anvisierten Herrn. Aufgrund des Gruppendrucks innerhalb der Zuschauermenge sah er aber in jedem Fall in seinem Geldbeutel nach.
Warum es immer mehr bringt, eine einzelne Person aus der Masse konkret und direkt anzusprechen, als eine Bitte pauschal einfach an alle zu richten, besprechen wir später noch ausführlicher. Im oben beschriebenen Fall gab es mehrere Möglichkeiten: Entweder er hatte einen Hundertmarkschein dabei und wollte ihn mir auch leihen, oder er hatte einen Hundertmarkschein dabei und wollte ihn mir nicht leihen. Vielleicht hatte er auch weniger zur Verfügung – oder mehr, egal. Wie dem auch sei, nachdem der Herr in meinem Fall nachgeschaut hatte, machte ich eine Pause und sagte: «Na gut, es müssen ja nicht unbedingt hundert Mark sein, zwanzig oder zehn reichen auch.» Diese Einschränkungen wirkten wie pure Magie. Ab dem Moment griffen viele Zuschauer in die Taschen und hielten ihre Geldscheine hoch.So gehe ich noch heute in solchen Fällen vor, und es funktioniert tadellos.
An dieser Stelle ein Tipp für meine jungen Leser: Wenn ihr mehr Taschengeld wollt, dann probiert mal folgende Taktik: Angenommen, ihr bekommt zwölf Euro in der Woche und wollt in Zukunft fünfzehn Euro haben. Die Summen sind hier willkürlich gewählt; meine Kinder sind ja noch so klein, dass sie gar kein Taschengeld kriegen. Die Zahlen sind an dieser Stelle also reine Platzhalter. Nun: Ihr könnt eure Chancen drastisch erhöhen, wenn ihr mit eurer Bitte nach mehr Taschengeld ein wenig höher einsteigt. Sagt also am besten: «Liebster Papa, mein Taschengeld reicht einfach nicht aus. Alle meine Freunde bekommen achtzehn Euro.» Wenn der liebste Papa – oder die liebste Mama – jetzt zustimmt, beglückwünsche ich euch. Achtet in dem Fall auf euer Gesicht. Die Verblüffung sollte nicht zu groß sein, die Freude, die darin abzulesen ist, auch nicht. Zeigt eher mäßige Freude und bedankt euch. Redet jetzt nicht zu viel! Einfach nur von Herzen danke sagen, die Kohle einstreichen und gehen.
Angenommen, er sagt daraufhin nein, dann könntet ihr es immer noch mit fünfzehn Euro probieren. In meinem Abendprogramm hat diese Taktik bereits einen festen Platz. Zu Recht. Noch ein Wort der Warnung: Wenn ihr eure erste Forderung unverhältnismäßig hoch, also zu hoch, gewählt habt, geht der Schuss möglicherweise nach hinten los. In solchen Fällen wird die Bitte als unrealistisch oder unverschämt betrachtet, was auf euer Ansehen abfärbt. Ihr werdet nicht mehr ernst genommen werden. Ein Mensch mit gutem Verhandlungsgeschick wird also seine Forderung genau so wählen, dass sie Platz lässt für das Angebotder Gegenseite. Falls er geschickt operiert, bekommt er so – als Konzession – von der Gegenseite genau das Angebot, das ihm vermeintlich sowieso schon die ganze Zeit vorschwebte. Allerdings nur, wenn die Gegenseite nicht dieses Buch gelesen hat … Ich könnte an dieser Stelle noch sehr viele schöne Beispiele Robert B. Cialdinis zitieren. Das mache ich aber nicht und suche lieber eigene. Falls Sie mehr von ihm lesen wollen, das Buch «Die Psychologie des Überzeugens» ist voll davon, und die Lektüre lohnt sich wirklich.
Noch ein Wort zur geschickten Abwehr der Methode. Es ist nicht unbedingt notwendig, alle Gratisangebote, Proben und Gefälligkeiten abzulehnen, um bloß nicht beeinflusst zu werden. Falls Sie möchten, dann nehmen Sie das Angebot ruhig an. Sie sollten aber Ihren Blickwinkel ändern und all diese Geschenke von nun an nicht mehr als Präsente, sondern als Detail eines Verkaufstricks betrachten. So fühlen Sie sich nicht mehr in der Schuld des Gebers. Er will mit Ihnen ein Geschäft machen, und Sie sind frei, zu- oder abzusagen. Haben Sie das im Sinn, kann Ihnen nichts passieren. Mit dem Zugeständnis ist es genauso. Sobald Sie die Taktik erkannt haben, können Sie denken, was Sie wollen – gemäß dem Titel dieses Buchs. Ich könnte auch mal wieder sagen: Die Welt ist das, wofür Sie sie halten.
Eine weitere Geschichte zeigt sehr deutlich, wie das Kontrastprinzip in den richtigen Händen wirken kann. Die Story handelt von einem der schillerndsten Trickbetrüger der Geschichte: Victor Lustig. Ihm gelang es sogar, einigen gutgläubigen
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