Denk doch, was du willst
Beispiele aus dem Alltag: Studien zeigten, dass Fragebögen viel eher an den Absender zurückgeschickt werden, wenn die Befragten nicht nur die Fragen zugesandt bekommen, sondern auch ein kleines Geldgeschenk dazu. Da wir alle lieber den Spatz in der Hand halten, als die Taube auf dem Dach zu sehen, ist es deshalb sinnvoll, wenn Unternehmen beispielsweise ihre Erhebungen direkt mit einem Gutschein über eine kleinere Summe verschicken. Ein Fragebogen zur Kundenzufriedenheit einer Versicherung, der mit einem Fünfdollarscheck verschickt wird, ist doppelt so effektiv wiedas Angebot, dass ausgefüllte Fragebogen mit fünfzig Dollar belohnt werden (Warriner, Goyder, Gjertsen, Horner und McSpurren, 1996).
Eine andere Studie zeigt, dass Kunden mehr Trinkgelder geben, wenn sie zur Rechnung eine kleine Süßigkeit dazugelegt bekommen (Strohmetz, Rind, Fisher und Lynn, 2002). Auch Gratisproben, die man in Geschäften bekommt, fallen in diese Kategorie. Vance Packard schreibt in seinem berühmten Buch «Die geheimen Verführer» aus den Fünfzigern – für mich übrigens
das
Buch über Verkauf und Werbung, obwohl es schon so alt ist – von einem Verkäufer, der im Supermarkt innerhalb weniger Stunden das komplette Käsesortiment verkaufte, weil er seinen Kunden anbot, sich selbst Gratiskostproben abzuschneiden.
Das Perfide an der Sache ist, dass der Automatismus auch dann bei uns wirkt, wenn die Gefälligkeiten zuvor überhaupt nicht von uns selbst gefordert wurden. Und auch Menschen, die uns nicht sympathisch sind, können sich bei uns einschmeicheln, indem sie mit einer kleinen guten Tat in Vorlage treten. Selbst dann fühlen wir uns verpflichtet, auf diese Vorleistung zu reagieren. Kurzum: Diese Regel schränkt uns in unserem Entscheidungsverhalten sehr stark ein, denn frei entscheiden kann meistens nur derjenige, der als Erster jemandem eine Gefälligkeit erweist. Er legt fest, welchen Gefallen er uns tut, und er bestimmt, welche Gegenleistung er von uns einfordern möchte.
Dasselbe gilt übrigens auch in Preisverhandlungen, in denen eine Partei die Summe vorgibt. Angenommen, Sie wollen ein Produkt kaufen. Der Verkäufer nennt als Erstes seinen – Ihrer Meinung nach überteuerten – Preis, sagen wir einhundert Euro. Sie denken, diese Forderung sei nicht angemessen,und bieten achtzig Euro. Der gesunde Menschenverstand bringt uns in aller Regel dazu, uns in der Mitte zu treffen und uns mit dem Erstbieter zu einigen. Das Produkt wechselt also für neunzig Euro den Besitzer. Warum eigentlich? In Wirklichkeit gibt es doch keinen Grund dafür, oder?
Eine gute Nachricht habe ich noch für Sie: Die Reziprozitätsregel gilt nicht in unserer Familie und sollte auch nicht unter Freunden gelten. Gerade von guten Freunden nehmen wir Gefälligkeiten ohne Wenn und Aber an und ohne dabei ein schlechtes Gewissen zu bekommen oder uns in der Pflicht zu fühlen. In der Familie und unter echten Freunden hilft man sich gewöhnlich, weil man sich mag. Und aus keinem anderen Grund sonst. Vielleicht denken Sie ja auch so.
Eine Abwandlung dieser Regel liegt in einem Zugeständnis. Eines Abends wollte mein Sohn noch eine Tafel Schokolade essen. Ich hatte ihm das erst nicht erlaubt. Ein kleines Stück bekam er aber dann dennoch. So was kann uns auch in anderen Bereichen passieren. Man nennt das auch die Tür-ins-Gesicht-schlagen-Taktik. Sie ist sehr einfach: Wir werden um einen großen Gefallen gebeten, den wir nicht erfüllen wollen. Nachdem wir den Gefallen abgewiesen haben, bittet uns unser Gegenüber nun um eine kleinere Gefälligkeit – falls es uns wirklich nach Strich und Faden manipulieren will, dann ist das kleinere Anliegen vielleicht genau das, was es eigentlich von Anfang an als Ziel im Sinn hatte. Die Chance, dass wir dieser Bitte jetzt nachgeben, ist außerordentlich hoch. Das Kontrastprinzip kommt hier erneut zur Anwendung.
In meinem letzten Abendprogramm gab es einen Moment,an dem ich mir einen Geldschein zu leihen versuchte. Vor einigen Jahren sagte ich an dieser Stelle einfach immer: «Als Nächstes brauche ich einen Geldschein!» Das ist aber schon sehr lange her, ein typischer Anfängerfehler. Auf diese Weise fühlt sich kein Mensch angesprochen. Das Ergebnis: Keiner reagierte. Dann las ich bei Robert B. Cialdini vom Kontrastprinzip, von Reziprozität und der Magie von Zugeständnissen. Danach versuchte ich folgende Variante, um mein Publikum zu beeinflussen. Ich zeigte auf einen Mann im Publikum und sagte: «Als
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