Denk doch, was du willst
erlangt. Papier und Druck sind hier nicht mehr wert als bei jeder anderen Briefmarke auch. Das hängt nur damit zusammen, dass wir sie aufgrund von Knappheit wertvoll machen. Und diese Tatsache bringt mich sofort zu einer Erkenntnis Paul Watzlawicks: «Es gibt Wirklichkeiten erster und zweiter Ebene.» Dass die Briefmarke nur ein Stückchen bedrucktes Papier ist, gehört zur Wirklichkeit der ersten Ordnung. Dass wir der Briefmarke einen unschätzbaren Wert zuschreiben, weil sie einzigartig ist, zählt zur Wirklichkeit zweiter Ordnung. Für jede Art der Kommunikation ist diese Unterscheidung äußerst wichtig. Da die Welt das ist, wofür wir sie halten, kann Kommunikation nämlich nur dann reibungslos funktionieren, wenn die Gesprächsteilnehmer die Wirklichkeit der anderen erahnen und auch akzeptieren können.
Die Psychologen haben herausgefunden, dass dieses Prinzip noch besser funktioniert, wenn wir daran erinnert werden, dass wir etwas, was wir bereits haben, unwiederbringlich verlieren könnten. In einem Test reagierten Studenten so stärker auf die Vorstellung «Verlust» als auf die, einen Gewinn zu erreichen. Die Psychologinnen Beth Meyerowitz und Shelly Chaiken fanden beispielsweise heraus, dass Broschüren zur Krebsvorsorge sehr viel wirksamer ausfallen, wenn die Frauen darauf aufmerksam gemachtwerden, was sie verlieren, falls sie nicht zur Vorsorgeuntersuchung gehen, als wenn dort in den Vordergrund gestellt werden würde, was eine frühzeitige Diagnose für Vorteile brächte. Wie so oft ist die Veränderung der Perspektive hier entscheidend und zeigt durchschlagende Wirkung.
Sobald wir also etwas haben, was wir auch wieder loslassen müssen, erlangt das einen höheren Stellenwert. Einmal gewonnene Freiheiten werden nicht einfach wieder aufgegeben. Sie können Ihren Kindern das Leben sehr schwermachen und den Wert des Erlebnisses steigern, wenn Sie ihnen einmal erlauben, abends noch fernzusehen und es einmal – ohne ersichtlichen Grund – verbieten. Wenn es einmal die Freiheit gab, abends fernzuschauen, dann bedeutet es einen großen Verlust, wenn das plötzlich verboten wird. Bitte beachten Sie, was ich oben zwischen Gedankenstriche gesetzt habe, nämlich: «ohne ersichtlichen Grund». Daraus folgt: Es ist viel einfacher, eine Regel aufrechtzuerhalten, wenn nicht ständig davon abgewichen wird. Ich ganz persönlich bin jedoch der Meinung, dass es für Kinder und Eltern wunderbar sein kann, miteinander Freiheiten und damit Ausnahmen zu genießen, und dass es hässlich ist, ständig auf Verboten rumzureiten. Ich selbst bin auch ein Mensch mit großem Drang zur Freiheit. Aus diesem Grund gestehe ich sie meinen Kindern auch gerne zu. Wenn ich sie ihnen dann aus einem guten Grund nehme – zum Beispiel, weil alle am nächsten Morgen früher aufstehen müssen als sonst –, dann muss ich das auch fundiert begründen können. Meistens verstehen die Kinder das dann auch. Was sie jedoch nie nachvollziehen können, ist die Unberechenbarkeit der Eltern. Und seien Sie mal ehrlich zu sich selbst: Sie konnten das als Kind doch auch nie leiden?
Das Prinzip der Knappheit könnten Sie bei nächster Gelegenheit testen, nämlich dann, wenn Sie wieder mal Besuch haben. Servieren Sie zu diesem Anlass Kekse, aber nicht gleich eine ganze Schüssel voll, sondern nur ein paar Stück auf einem riesengroßen Teller. Wahrscheinlich werden sie Ihre Besucher dann als qualitativ hochwertiger empfinden. Diesen Schluss legt zumindest eine Studie aus dem Jahr 1975 nahe. Hier bekamen die Teilnehmer im Zuge einer Marktanalyse Plätzchen zu probieren. Der Hälfte offerierte man zehn Kekse in einem Schälchen, der anderen nur zwei Kekse in demselben Schälchen. Die Teilnehmer, die nur zwei Kekse angeboten bekamen, beurteilten sie als teurer und besser als die anderen Teilnehmer.
Robert B. Cialdini hat eine sehr gute Strategie im Umgang mit Knappheit auf Lager: «Obwohl die knappe Keksauswahl als signifikant begehrenswerter eingeschätzt wurde, fiel ihre Geschmacksbewertung keineswegs besser aus als die der reichlich zur Verfügung stehenden. Trotz des stärkeren Verlangens, das die Knappheit hervorrief […], schmeckten sie nicht einen Deut besser als die anderen. Hierin liegt eine wichtige Erkenntnis. Was uns so an knappen Gütern reizt, ist nicht die Vorstellung, sie zu verwenden, sondern die, sie zu besitzen. Diese beiden Dinge sollten nicht verwechselt werden […]. Oftmals beruht unser Interesse an einer Sache allerdings nicht
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