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Denkanstöße 2013

Denkanstöße 2013

Titel: Denkanstöße 2013 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabella Nelte
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bezeichnen, werden sie der Einfachheit halber praktisch deckungsgleich benutzt. Für den Kognitionswissenschaftler Douglas R. Hofstadter sind sogar die Begriffe »Ich«, »Seele«, »Selbst« und »Bewusstsein« austauschbar – es handele sich jeweils um ein komplexes, aus Nervenzellen und Synapsen des Gehirns erwachsenes Muster.
    Wir erleben uns daher meist als ein einheitliches Ich, sehen uns als unverwechselbares Individuum. Wir tragen sozusagen eine Vorstellung von uns im Kopf herum. Wissen etwa, dass wir oft schüchtern sind, dass wir aber auch, wenn es drauf ankommt, klar unsere Meinung formulieren können. Wissen womöglich, dass wir mitunter gerne Risiken eingehen – etwa auf Skiern einen uneinsehbaren Tiefschnee-Hang herunterfahren –, weil wir das Erfolgserlebnis, es geschafft zu haben, so sehr mögen. Wir sind uns unserer sozialen Stellung bewusst, ganz gleich, ob wir uns als kleines Rädchen oder als großen Beweger sehen.
    All diese unterschiedlichen Eindrücke und Wahrnehmungen verdichten sich im Ich. Es ist das Zentrum einer von uns konstruierten Welt, unsere eigene ganz persönliche Wirklichkeit.
    Dieses Wissen um ein Ich teilen Menschen mit nur ganz wenigen anderen Spezies. Das belegt der berühmte Spiegeltest des amerikanischen Psychologen Gordon Gallup: Einem Tier wird ein roter Fleck auf die Stirn gemalt. Dann wird beobachtet, was passiert, wenn es sich im Spiegel sieht. Ein Wesen, das annimmt, einen Artgenossen, nicht aber sich selbst vor sich zu haben, wird sich um den Fleck nicht kümmern. Nur eines, das sich selbst wahrnimmt, reagiert auf den Fleck, will ihn vielleicht sogar entfernen.
    Das Ergebnis ist aufschlussreich: Hunde, Katzen und kleinere Affenarten erkennen sich nicht. Sehr wohl aber Menschenaffen – sowie Wale, Delfine, Elefanten, Raben und Papageien. Und natürlich der Mensch. Der Test zeigt auch, wann in etwa das Ich-Bewusstsein erwacht: Kinder bestehen den Spiegeltest meist im zweiten Lebensjahr. Ungefähr im selben Alter benutzen sie zum ersten Mal das Wort Ich, während sie zuvor von sich meist in der dritten Person sprechen (»Lisa Schnuller haben!«).
Wie stabil ist das Ich?
    Unser Ich erscheint uns meist sehr stabil zu sein, in einem unveränderlichen Zustand zu verharren. Es gibt jedoch Situationen, die zeigen, dass dem längst nicht immer so ist – selbst bei psychisch Gesunden. Bei einer tiefen Meditation beispielsweise erleben viele Menschen, wie ihr Ich sich gleichsam auflöst, sie sich eins mit dem Universum fühlen. Ein wie Psychologen es nennen »ozeanisches Gefühl«.
    Ã„hnliches passiert bei einer Schläfenlappenepilepsie, einer anormalen elektrischen Impulsaktivität im Gehirn. Dabei kann es zu beinahe religiösen und mystischen Erlebnissen kommen. Dann fühlen sich die Betroffenen eins mit ihrer Umwelt, alle Grenzen zwischen dem Ich und dem Kosmos sind wie weggewischt. Viele große religiöse Führer, wahrscheinlich auch Mohammed und Jesus, litten unter diesem Krankheitsbild, das mit krampfartigen Anfällen einhergeht, den Betroffenen aber eine besondere Wahrnehmung der Wirklichkeit ermöglichte.
    Bei anderen Krankheiten wird noch deutlicher, dass der französische Denker Michel de Montaigne Ende des 16. Jahrhunderts wohl nicht unrecht hatte, als er das Ich in seinen »Essais« als eine »fortschreitende Erfindung« beschrieb: Eine, die »aus lauter Flicken und Fetzen und so kunterbunt unförmlich zusammengestückt ist, dass jeder Lappen jeden Augenblick sein eigenes Spiel treibt«.
    Die Fragilität des Ich wird besonders im Falle psychischer Erkrankungen deutlich, in manch bizarrem Schicksal von Patienten.
    â€“Der Psychologieprofessor Julian Paul Keenan hatte es mit einer 30-jährigen Patientin zu tun, die von einer Schaukel gefallen war und ein Hirntrauma erlitten hatte. Intellektuell war sie zwar wieder auf voller Höhe. Bis auf einen Punkt: Sie behauptete, nicht mehr sie selbst zu sein. Als sie sich im Spiegel erblickte, sagte sie, diese Person ähnele ihr nur, sie sei auch älter als sie selbst. Außerdem verfolge die Frau im Spiegel sie.
    â€“Wissenschaftler der University of California in Santa Barbara behandelten einen 75-jährigen Mann, der einen Herzinfarkt erlitten hatte. Der Mann konnte sich an nichts erinnern, was er vor oder nach dem Infarkt getan oder erlebt hatte. Sein ganzes Leben war wie

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