Denkanstöße 2013
EU-finanzierte Teilchenbeschleuniger der Europäischen Organisation für Kernforschung (CERN) in Genf seine Arbeit aufnahm und sich erstmals anschickte, Atome mit bisher unbekannter Energie aufeinanderprallen zu lassen. Ãber die dabei entstehenden subatomaren Teilchen weià man bisher nur wenig; um das zu ändern, hat man ja den Beschleuniger gebaut. Möglicherweise könnte dabei ein Schwarm von sogenannten Quarks entstehen, der sich zu einem extrem dichten Objekt zusammenpresst, das die Physiker passenderweise »strangelet« nennen. Ein solches »strangelet« verdichtet alles in seiner Nähe blitzartig zu einer neuen hyperkompakten Form von Materie, in wenigen Sekunden wäre die Erde zu einer Kugel von 100 Metern Durchmesser geschrumpft.
Was das für uns Menschen bedeutet, muss man wohl nicht eigens noch erklären.
Obwohl durchaus seriöse Medien wie Spiegel, Focus oder FAZ ausführlich darüber wie auch über gefährliche Asteroiden oder Viren berichten, ja sogar Hollywood sich dieser Themen angenommen hat (»Armageddon â Das jüngste Gericht« oder »Outbreak« mit Dustin Hoffman, Regie Wolfgang Petersen), bleibt hier das Panikpotenzial gering.
Stattdessen fürchten wir uns vor einem unsicheren Föhn. Oder sollten es nach Meinung mancher Medien tun. »Gerade mal drei Sekunden föhnte eine Testperson beim Vergleich von 16 Haartrocknern ihre Haare mit dem Elta Germany HAT 352, als dieser mit einem lauten Knall durchschmorte.« Da hat sich die Testperson sicher sehr erschrocken. »Auch im Dauertest brannte das 10-Euro-Gerät nach 72 Stunden lichterloh, vom Gehäuse blieb nichts übrig.« Da kann ich nur sagen: Danke, liebe Hannoversche Allgemeine Zeitung, dass ihr mir so deutlich zeigt, was alles passieren kann, wenn man einen Föhn 72 Stunden lang ununterbrochen laufen lässt. Das mache ich schlieÃlich fast gewohnheitsmäÃig. Und dann erst das innere Schutzgitter beim Panasonic ION Hair Dryer EH5573S825: »Das innere Schutzgitter an der Rückseite verformte sich leicht, Finger können so in den rotierenden Ventilator gelangen.«
Tatsächlich verletzt hat sich aber bei den Tests niemand, nur der eine oder andere Trockner war danach kaputt, ein Schaden von rund 30 Euro.
Das leitet über zu der ersten wichtigen Erkenntnis diese Buches: Ob 0, 1, 2, 5, 10 oder 100, 1000 oder 100000 Tote, oder ob die ganze Menschheit untergeht â das Panikpotenzial wie auch die Medienaufmerksamkeit hängen davon nur wenig ab. Die Killer-Jeans neben dem Killer-Asteroiden, für die meisten Menschen macht das keinen Unterschied.
Diese Kluft zwischen der GröÃe der uns bedrohenden Gefahren und der medialen Aufmerksamkeit, welche diese Gefahren erzeugen, ist international. Der New York Times -Journalist David Ropeik hat einmal die amerikanischen »Ãngste des Sommers« des Jahres 2002 hinsichtlich ihrer wahren Bedrohung und ihrer medialen Präsenz in eine Reihenfolge gebracht â zwischen beiden fand er eine fast perfekte Korrelation. Aber nicht positiv, sondern negativ!
Damals hatte gerade das West-Nil-Virus â schon Alexander der GroÃe soll daran gestorben sein â die Amerikaner fest im Griff und in Panik versetzt. Das Virus löst eine Art von Grippe aus und wurde um die Jahrtausendwende vermutlich mit einer infizierten Mücke in einem israelischen Flugzeug aus Tel Aviv nach New York eingeschleppt. Dort fielen dann wenig später tote Vögel von den Bäumen des Central Parks, auch Menschen erlagen der Attacke. Insgesamt sind im Jahr 2002 rund 300 US-Amerikaner an den Folgen dieser Virusinfektion gestorben, durchaus berichtenswert, aber dennoch weit weniger, als in der gleichen Zeit durch andere Grippeinfektionen umgekommen sind.
Dennoch war das West-Nil-Virus das groÃe Sommerthema in den amerikanischen Medien dieses Jahres 2002, mehr als 2000 Zeitungsartikel befassten sich damit â in diesem Sommer der Rekord. Die folgende Tabelle stellt einmal den elf »Gefahren des Sommers« die Zahl der einschlägigen Zeitungsartikel gegenüber.
Wie wir sehen, ist die Ungleichbehandlung der Risiken in den amerikanischen Medien kein bisschen kleiner als bei uns. Zwar ist die reine Anzahl an Panikmeldungen deutlich geringer, wie ich weiter unten durch Auszählen ausgewählter Tageszeitungen noch zeigen werde, aber die Berichte sind genauso wie hierzulande von den
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