Denkanstöße 2013
bald gehörte das Unterrichten zum Alltag der Hofgärtnerei: Drei Tage in der Woche von 16 bis 18 Uhr stand Liszts Musikzimmer allen offen, die kommen und ihm vorspielen wollten. Die ersten vier dieser neuen Schülergeneration waren im Frühjahr 1869 die 21-jährige Anna Mehlig aus Stuttgart, der 17-jährige Johann Georg Leitert aus Dresden sowie zwei junge Talente aus Pest: die 21-jährige Irma Steinacker und der 16-jährige Rafael Joseffy. Auch die 22-jährige Münchnerin Sophie Menter, die zuvor bei Tausig und von Bülow studiert hatte, stieà im Frühjahr 1869 zum Liszt-Kreis. Sie war bereits »eine wunderbare Künstlerin«, wurde aber weiterhin von Liszt gefördert und eine seiner engsten Vertrauten der letzten Jahre. Noch im August 1885 arbeitete er für sie an einem Konzert im ungarischen Styl für Klavier und Orchester, das Sophie Menter nach seinem Tod gemeinsam mit Pjotr Tschaikowski vollendete und 1893 in Odessa zur Uraufführung brachte. In den nächsten Jahren waren es manchmal bis zu 50 Schülerinnen und Schüler, die sich in der Hofgärtnerei versammelten.
»Nur möchte ich Zeit finden, einige Seiten Noten hier zu schreiben; es wird aber schwer gehen, denn bereits sind ein halb Dutzend Pianistinnen aus Berlin, Hamburg etc. angelangt; bald wird das Dutzend voll werden und noch mehr Messieurs kommen, die sich alle beeifern, Ruhm und Glück zu erwirken.«
Liszt ging nun auf die 60 zu, und das Alter machte sich zunehmend bemerkbar â wohl auch als Folge des unsoliden Lebens, das er jahrzehntelang geführt hatte (und weiter führte: vor allem, was seinen Alkoholkonsum betraf). Nach auÃen lieà er sich nur selten etwas anmerken, aber in den Briefen jener Jahre ist immer häufiger von Tod und Vergänglichkeit die Rede. Nach dem Tod des Malers Johann Friedrich Overbeck, der (80-jährig) am 12. November 1869 in Rom gestorben war, bestimmte er in einem Brief an Carolyne von Sayn-Wittgenstein sogar schon die Modalitäten seiner eigenen Beerdigung:
»Ich wünsche, bitte darum und ordne ausdrücklich an, dass meine Bestattung ohne jeglichen Pomp geschehe, so einfach und so sparsam wie möglich. Ich protestiere gegen ein Begräbnis à la Rossini und selbst gegen jedes Zusammenrufen von Freunden und Bekannten, wie bei der Trauerfeier für Overbeck. Keinen Staat, keine Musik, keinen Leichenzug, keine überflüssigen Beleuchtungen, keine Pflicht-Beileidsbekundungen, keine Reden gleich welcher Art. Man möge meinen Leichnam nicht in einer Kirche, sondern auf irgendeinem Friedhof begraben â und vor allem möge man sich ja hüten, ihn von dieser Grabstätte nach einer anderen umzubetten. Ich will keinen anderen Platz für meine sterblichen Ãberreste als den Friedhof, der für den Ort im Gebrauch ist, wo ich sterben werde â keine andere kirchliche Zeremonie als eine stille Messe, kein in der Pfarrkirche gesungenes Requiem. Die Inschrift meines Grabsteins könnte sein: ⺠Et habitabunt recti cum vultu tuo â¹ Ps. 139 [ âºUnd die Frommen werden vor Deinem Angesichte bleiben. â¹ Psalm 140]. Sollte ich in Rom sterben, möge man meinen Freund D[on] Antonio Solfanelli bitten, diese stille Messe zu lesen. Sollte er nicht verfügbar sein, möge man einen anderen Priester suchen, der sich meiner wohlwollend erinnert. Mein letzter Segen gilt Ihnen, wie an allen Tagen meines Lebens!«
Aufschlussreich ist auch ein Bericht des Grafen Géza Zichy, der Liszt eines Abends vor der Hofgärtnerei traf, auf dem Heimweg von einer kurzfristig abgesagten Gesellschaft.
»Sehen Sie, Géza, das ist das Los eines alleinstehenden alten Künstlers, auf der Treppe, auf der StraÃe ⦠Dem Diener gab ich Urlaub, nun ist niemand in meiner Wohnung, der Ofen kalt, alles finster. Ja, ja, wir haben Feste, hell erleuchtete Salons, doch nie ein Heim. Die Töne verklingen, die Herzen verlöschen, und der Rest ist Schweigen.«
Von Weimar aus reiste Liszt Ende März nach Wien, zu seinem Cousin Eduard. Am 4. und 11. April 1869 dirigierte Johann Herbeck im Redoutensaal die Legende von der heiligen Elisabeth , die einen gewaltigen Erfolg hatte â ebenso wie eine Aufführung des Es-Dur-Konzerts mit Sophie Menter als Solistin. Weiter ging es nach Pest, wo Ferenc Erkel die Dante-Symphonie und die Symphonische Dichtung Hungaria zur Aufführung brachte; Liszt selbst
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