Denken hilft zwar, nutzt aber nichts
waren von einem metallischen Blaugrau, etwa so groß wie Musketenkugeln, und er kehrte ohne einen einzigen Verkaufsabschluss nach Polynesien zurück. Assael hätte das Geschäft mit den schwarzen Perlen ganz abschreiben oder sie zu einem niedrigen Preis an einen Discounter verkaufen können. Er hätte versuchen können, sie im Paket mit einigen weißen Perlen loszuschlagen. Stattdessen wartete Assael ein Jahr, bis es schönere Exemplare gab, und brachte sie dann zu seinem alten Freund Harry Winston, einem legendären Edelsteinhändler. Winston erklärte sich bereit, sie ins Schaufenster seines Ladens an der Fifth Avenue zu legen, dazu ein Schild mit einem haarsträubend hohen Preis. Inzwischen schaltete Assael in den führenden Hochglanzmagazinen eine ganzseitige Anzeige, in der zwischen wie zufällig hingestreuten Diamanten, Rubinen und Smaragden eine Kette mit schwarzen Perlen aus Tahiti leuchtete.
Schon bald wurden die Perlen, kurz zuvor noch der verborgene Schatz eines Büschels schwarzlippiger Austern an einem Tau in der Südsee, an den Schwanenhälsen der reichsten Diven der Stadt in Manhattan zur Schau gestellt. Assael hatte etwas von zweifelhaftem Wert in etwas unglaublich Exquisites verwandelt. Oder, wie Mark Twain einst über seinen Helden Tom Sawyer schrieb: »Tom hatte ein großes Gesetz menschlichen Handelns entdeckt: Um zu erreichen, dass jemand etwas begehrt, muss man es nur schwer erreichbar erscheinen lassen.«
Wie hatte der Perlenkönig das angestellt? Wie schaffte er es, die Crème de la Crème für schwarze Perlen aus Tahiti zu begeistern– und sich dafür fürstlich bezahlen zu lassen? Um diese Fragen beantworten zu können, muss ich erst etwas über junge Gänse erzählen.
Mitte des vergangenen Jahrhunderts entdeckte der Naturforscher Konrad Lorenz, dass frisch geschlüpfte Gänseküken dem ersten sich bewegenden Objekt folgen, dem sie begegnen (in der Regel ihrer Mutter). Lorenz wusste das, weil bei einem Experiment
er
dieses erste sich bewegende Objekt gewesen war, das sie zu Gesicht bekamen, und sie ihm von da an bedingungslos gefolgt waren. Damit bewies Lorenz, dass Gänseküken nicht nur ihre erste Entscheidung auf der Grundlage dessen treffen, was sie in ihrer Umgebung vorfinden, sondern auch bei der einmal getroffenen Entscheidung bleiben. Lorenz bezeichnete dieses Naturphänomen als
Prägung
.
Ist also das menschliche Gehirn wie das einer Gans gepolt? Prägen sich unsere ersten Eindrücke und Entscheidungen ein? Und wenn ja, wie macht sich diese Prägung in unserem Leben bemerkbar? Akzeptieren wir zum Beispiel, wenn wir auf ein neues Produkt stoßen, den ersten Preis, der uns geboten wird? Und, noch wichtiger, hat dieser Preis (den wir in der Wirtschaftspsychologie als
Anker
bezeichnen) langfristig eine Auswirkung darauf, wie viel wir für das Produkt von diesem Moment an zu bezahlen bereit sind?
Was Gänsen nützt, scheint auch Menschen zu nützen. Und dazu gehört die Verankerung. Beispielsweise »verankerte« Assael seine Perlen von Anfang an bei den begehrtesten Edelsteinen der Welt – und deren Preise folgten ihnen seither getreulich nach. Ähnlich ist es, wenn wir ein neues Produkt zu einem bestimmten Preis kaufen; auch dann wird dieser Preis zum Anker. Aber wie funktioniert das genau? Warum akzeptieren wir Anker?
Ein Beispiel: Wenn ich Sie nach den beiden Endziffern IhrerSozialversicherungsnummer fragen würde (bei mir sieben und neun) und anschließend, ob Sie diese Zahl in Dollar (in meinem Fall wären das 79 Dollar) für eine bestimmte Flasche 1998er Côtes du Rhône bezahlen würden, würde die bloße Erwähnung dieser Zahl einen Einfluss darauf haben, wie viel Sie für Wein zu zahlen bereit sind? Klingt absurd, nicht? Na, dann lesen Sie mal weiter!
»Hier haben wir einen feinen Côtes du Rhône Jaboulet Parallèle«, sagte Drazen Prelec, Professor an der Sloan School of Management am Bostoner MIT, und hielt mit ehrfürchtigem Blick eine Flasche hoch. »Einen 1998er.«
Vor ihm saßen 55 Studenten aus seinem Marketingseminar. Drazen, George Loewenstein (Professor an der Carnegie Mellon University) und ich hatten mit dieser Gruppe zukünftiger Marketingprofis an diesem Tag Ungewöhnliches vor. Wir würden sie bitten, die letzten beiden Zahlen ihrer Sozialversicherungsnummer zu notieren. Anschließend wollten wir sie auffordern, Gebote für verschiedene Produkte abzugeben, darunter auch die Flasche Wein.
Was wollten wir damit beweisen? Dass es etwas gibt, das
Weitere Kostenlose Bücher