Denken hilft zwar, nutzt aber nichts
wir die sozialen Normen und die Normen des Marktes getrennt halten, läuft das Leben ziemlich gut. Nehmen Sie beispielsweise den Sex. Im sozialen Kontext bekommen wir ihn gratis, und er ist hoffentlich liebevoll und emotional befriedigend. Aber es gibt auch den käuflichen Sex auf Nachfrage und gegen Geld. Beide sind klar voneinander getrennt:Wir haben weder Ehemänner (oder Ehefrauen), die nach Hause kommen und eine Nummer für 50 Dollar verlangen, noch gibt es Prostituierte, die auf ewige Liebe hoffen.
Wenn jedoch soziale Normen mit denen des Marktes kollidieren, geraten wir in Schwierigkeiten. Nehmen wir noch einmal das Beispiel Sex. Ein junger Mann führt ein Mädchen zum Abendessen und zu einem Kinobesuch aus und bezahlt die Rechnung beziehungsweise die Eintrittskarte. Die beiden gehen erneut aus, und auch dieses Mal bezahlt er. Beim dritten Abend lässt er wieder das Geld fürs Essen und die Unterhaltung springen. Nun aber hofft er zumindest auf einen leidenschaftlichen Kuss an der Haustür. Sein Portemonnaie ist schon bedenklich dünn geworden, aber schlimmer ist das, was in seinem Kopf vorgeht: Es fällt ihm schwer, die soziale Norm (das Umwerben) mit der Marktnorm (Geld gegen Sex) voneinander getrennt zu halten. Beim vierten Rendezvous erwähnt er beiläufig, wie viel ihn diese Romanze kostet. Damit aber hat er die Grenze überschritten. Ein grober Schnitzer! Sie schimpft ihn einen Primitivling und stürmt davon. Er hätte wissen müssen, dass man soziale und Marktnormen nicht miteinander vermischen darf – insbesondere in diesem Fall, denn damit unterstellt er der jungen Dame, dass sie käuflich ist. Außerdem hätte er gut daran getan, sich an die unsterblichen Worte von Woody Allen zu erinnern: »Der teuerste Sex ist der, der nichts kostet.«
Vor ein paar Jahren beschlossen James Heyman (Professor an der University of St. Thomas) und ich, die Auswirkungen von sozialen Normen und denen des Marktes zu untersuchen. Die Simulation des beschriebenen Thanksgiving-Essens wäre wunderbar gewesen, aber angesichts des Schadens, den wir den Beziehungen innerhalb der Probandenfamilie womöglichzugefügt hätten, entschieden wir uns für ein weniger krasses Szenario. Um ehrlich zu sein, fiel unsere Wahl auf eine der langweiligsten Aufgaben, die uns in den Sinn kamen (in der Soziologie ist es üblich, äußerst langweilige Aufgaben zu stellen).
Bei diesem Experiment wurde auf der linken Seite eines Computerbildschirms ein Kreis gezeigt, auf der rechten Seite ein Quadrat. Die Aufgabe bestand darin, mit Hilfe der Maus den Kreis auf das Quadrat zu ziehen. Sobald dies gelungen war, verschwand der Kreis, und ein neuer erschien auf der linken Bildschirmseite. Wir baten die Teilnehmer, so viele Kreise wie möglich hinüberzuziehen – und zwar innerhalb von fünf Minuten. Die dabei herauskommende Zahl war für uns das Maß ihrer Arbeitsleistung – beziehungsweise der Anstrengung, die sie für die Aufgabe aufbrachten.
Auf welche Weise sollte diese Versuchsanordnung Aufschluss geben über den sozialen und den Marktaustausch? Einige Probanden erhielten für die Teilnahme an dem kurzen Experiment fünf Dollar, die ihnen beim Betreten des Labors ausgehändigt wurden. Außerdem wurde ihnen mitgeteilt, der Computer werde sie nach fünf Minuten darauf aufmerksam machen, dass die Aufgabe erledigt sei, woraufhin sie das Labor verlassen sollten. Da wir sie für ihre Bemühungen bezahlten, erwarteten wir, dass sie in dieser Situation die Normen des Marktes anwenden und entsprechend handeln würden.
Die Teilnehmer der zweiten Gruppe erhielten dieselbe Aufgabe und dieselben Instruktionen, allerdings war die Belohnung weitaus geringer (50 Cent bei einem Experiment und 10 Cent bei einem zweiten). Auch hier rechneten wir damit, dass die Teilnehmer auf die Normen des Marktes zurückgriffen und sich entsprechend verhielten.
Schließlich gab es eine dritte Gruppe, der wir die Aufgabeals eine soziale darstellten. Den Teilnehmern wurde nichts Konkretes als Gegenleistung für ihre Bemühungen angeboten. Wir baten sie lediglich um einen Gefallen. Und wir erwarteten, dass diese Probanden soziale Normen auf die Situation anwenden und entsprechend handeln würden.
Wie viel Mühe gaben sich die verschiedenen Gruppen? In Übereinstimmung mit dem Ethos der Marktnormen zogen diejenigen, die fünf Dollar erhalten hatten, im Durchschnitt 159 Kreise auf die andere Seite, diejenigen, die 50 Cent bekommen hatten, im Schnitt 101 Kreise. Wie
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