Denken hilft zwar, nutzt aber nichts
vorauszusehen, verstärkte mehr Geld die Motivation – die Probanden gaben sich mehr Mühe (um etwa 50 Prozent).
Und was war mit denjenigen, die kein Geld erhalten hatten? Gaben sich diese Teilnehmer weniger Mühe als diejenigen mit der niedrigen »Entlohnung«, oder wandten sie, weil sie kein Geld bekamen, soziale Normen auf die Situation an und gaben sich mehr Mühe? Das Ergebnis war, dass sie im Schnitt 168 Kreise auf die andere Seite zogen, also weitaus mehr als diejenigen, die 50 Cent erhalten hatten, und ein wenig mehr als diejenigen, denen fünf Dollar gezahlt worden war. Mit anderen Worten, unsere Probanden gaben sich bei Berücksichtigung sozialer Normen ohne Geldleistungen mehr Mühe als für den allmächtigen Dollar (okay, es waren nur 50 Cent).
Vielleicht hätten wir dies vorausahnen können. Denn es gibt zahlreiche Beispiele dafür, dass die Menschen für eine gute Sache mehr Mühe aufwenden als für Geld. So fragte zum Beispiel die AARP (American Association for Retired Persons – Amerikanische Rentnervereinigung) Anwälte, ob sie bereit wären, bedürftigen Rentnern ihre Dienste günstiger anzubieten, für etwa 30 Dollar die Stunde. Die Anwälte lehnten ab. Daraufhin hatte der Projektleiter von AARP einegeniale Idee: Er fragte die Anwälte, ob sie seinen Klienten ihre Dienste kostenlos zur Verfügung stellen würden. Die Anwälte erklärten sich mit überwältigender Mehrheit dazu bereit.
Was war hier los? Wieso waren null Dollar attraktiver als 30 Dollar? Solange ein Honorar im Spiel war, wandten die Anwälte Marktnormen an und empfanden das Angebot im Vergleich zu ihrem marktüblichen Honorar als unzureichend. Als hingegen von Geld nicht mehr die Rede war, zogen sie soziale Normen heran und waren bereit, ihre Zeit kostenlos zur Verfügung zu stellen. Aber warum akzeptierten sie nicht einfach die 30 Dollar und betrachteten sich als Ehrenamtliche, die 30 Dollar erhielten? Weil die sozialen Normen keine Rolle mehr spielen, sobald Marktnormen Eingang in unsere Überlegungen gefunden haben.
Eine ähnliche Erfahrung machte auch Nachum Sicherman, ein Wirtschaftsprofessor an der Columbia University, der in Japan Unterricht in asiatischem Kampfsport nahm. Der
Sensei
(Meister) verlangte von der Gruppe kein Geld für den Kurs. Seine Schüler aber hielten das nicht für gerecht, gingen eines Tages zu dem Meister und schlugen ihm vor, ihn für die Zeit und seine Bemühungen zu bezahlen. Der aber legte sein Bambus-
Shinai
(Schwert) zur Seite und erwiderte gelassen, wenn er Geld von ihnen verlange, könnten sie sich ihn nicht leisten.
Bei dem oben geschilderten Experiment sagten sich also diejenigen, die 50 Cent erhalten hatten, nicht: »Schön. Ich tue diesen Forschern einen Gefallen und bekomme auch noch etwas Geld dafür«, und gaben sich dann mehr Mühe als diejenigen, denen nichts bezahlt wurde. Stattdessen schalteten sie um auf die Marktnormen, kamen zu dem Schluss, dass 50 Cent nicht viel war, und gingen nur halbherzig zu Werke. Mit anderenWorten, die Normen des Marktes verdrängten die sozialen Normen aus dem Labor.
Was aber würde passieren, wenn wir die Zahlungen durch ein Geschenk ersetzten? Eine gute Flasche Wein zum Essen würde Ihre Schwiegermutter sicherlich annehmen. Wie wäre es mit einem Geschenk zur Wohnungseinweihung des Freundes (zum Beispiel eine umweltfreundliche Pflanze)? Sind Geschenke eine Methode, innerhalb der sozialen Normen des Gebens und Nehmens zu bleiben? Würden unsere Teilnehmer, wenn sie derlei Geschenke erhielten, von den sozialen Normen zu Marktnormen übergehen, oder würden die Geschenke die Probanden dazu bewegen, weiterhin sozialen Überlegungen zu folgen?
Um herauszufinden, wo genau Geschenke zwischen sozialen und Marktnormen einzuordnen sind, führten James und ich ein neues Experiment durch. Diesmal boten wir unseren Teilnehmern für dieselbe Aufgabe statt Geld Geschenke an. Statt der Belohnung in Höhe von 50 Cent gab es ein Snickers (im Wert von etwa 50 Cent) und statt des Fünf-Dollar-Anreizes eine Schachtel Godiva-Pralinen (im Wert von etwa fünf Dollar).
Die Teilnehmer kamen ins Labor, erfüllten dort ihre Aufgabe in dem Maße, wie sie es für angemessen hielten, und gingen wieder. Wie sich herausstellte, gaben sich alle drei Gruppen etwa gleich viel Mühe dabei, unabhängig davon, ob sie ein kleines Snickers bekamen (diese Teilnehmer zogen durchschnittlich 162 Kreise auf die andere Seite des Bildschirms), die Godiva-Pralinen (diese Teilnehmer kamen
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