Denken hilft zwar, nutzt aber nichts
Schachtel mit Stiften hinuntergefallen war.
Insgesamt legten die Teilnehmer der »Gehalts«-Gruppe viele Eigenschaften an den Tag, die auch beim Marktverhalten zu beobachten sind: Sie waren egoistischer und selbstsicherer; sie wollten mehr Zeit allein verbringen und wählten eher Aufgaben aus, die allein zu bewältigen waren, als solche, die im Team gelöst werden konnten. Und bei der Wahl des Sitzplatzes entschieden sie sich für einen, der weiter entfernt war von der Person, mit der sie zusammenarbeiten sollten. Der bloße Gedanke an Geld veranlasst uns also, uns so zu verhalten, wie die meisten Wirtschaftswissenschaftler es erwarten – und weniger wie die sozialen Wesen, als die wir im Alltag agieren.
Dies führt mich zu einem abschließenden Gedanken: Wenn Sie mit einem Rendezvous-Partner in ein Restaurant gehen,erwähnen Sie um Himmels willen nicht den Preis der ausgewählten Gerichte. Sicher, er steht klar und deutlich auf der Karte. Ja, vielleicht wäre dies eine Gelegenheit, Ihre Begleitung mit dem Niveau des Restaurants zu beeindrucken. Aber wenn Sie darauf herumreiten, werden Sie Ihr Liebesverhältnis wahrscheinlich nicht mehr unter die soziale Norm, sondern unter die Marktnorm stellen. Ja, Ihr Rendezvous-Partner mag vielleicht nicht erkennen, wie viel Sie das Abendessen kostet. Ja, Ihre Schwiegermutter mag annehmen, die Flasche Wein, die Sie mitgebracht haben, sei ein preiswerter Verschnitt, während es sich in Wirklichkeit um einen sehr teuren Merlot Grande Réserve handelt. Aber das ist der Preis, den Sie bezahlen müssen, wenn Sie wollen, dass Ihre menschlichen Beziehungen im Bereich der sozialen Normen bleiben und nicht den Normen des Marktes unterworfen werden.
Fassen wir zusammen: Wir leben in zwei Welten. Die eine ist durch sozialen, die andere durch wirtschaftlichen Austausch gekennzeichnet. Und in diesen zweierlei Arten von Beziehungen verwenden wir unterschiedliche Normen. Darüber hinaus führt, wie wir gesehen haben, die Anwendung der Normen des Marktes auf das soziale Geben und Nehmen zu einer Verletzung der sozialen Normen und einer Beschädigung der menschlichen Beziehungen. Wenn dieser Fehler einmal begangen wurde, ist es schwierig, eine soziale Beziehung wiederherzustellen. Haben Sie sich einmal erboten, für das köstliche Thanksgiving-Essen zu bezahlen, wird sich Ihre Schwiegermutter noch jahrelang daran erinnern. Und wenn Sie einem potenziellen Liebespartner vorschlagen, gleich zur Sache zu kommen, die Kosten für die Zeit des Werbens zu teilen und einfach ins Bett zu steigen, haben Sie die Romanze wahrscheinlich für immer zerstört.
Meine guten Freunde Uri Gneezy (Professor an der University of California in San Diego) und Aldo Rustichini (Professor an der University of Minnesota) machten ein sehr kluges Experiment, bei dem die Langzeitwirkungen eines Wechsels von sozialen zu Marktnormen beobachtet wurden.
Vor ein paar Jahren führten sie Untersuchungen in einer Kindertagesstätte in Israel durch, um herauszufinden, ob ein Bußgeld für Eltern, die ihre Kinder zu spät abholten, ein geeignetes Abschreckungsmittel sei. Dabei stellten sie fest, dass dieses Bußgeld nichts half und langfristig sogar negative Auswirkungen hatte. Warum? Vor der Einführung des Bußgeldes gab es zwischen Betreuern und Eltern einen sozialen Kontrakt, der soziale Normen für das Zuspätkommen beinhaltete: Die Eltern, die zu spät kamen – was gelegentlich vorkam –, hatten ein schlechtes Gewissen, welches sie zwang, in Zukunft pünktlicher zu erscheinen. (In Israel scheint ein schlechtes Gewissen ein effektives Mittel für die Einhaltung von Regeln zu sein.) Mit der Einführung des Bußgeldes aber hatte die Kindertagesstätte, ohne es zu wollen, die sozialen durch Marktnormen ersetzt. Nun, da die Eltern für ihr Zuspätkommen bezahlten, interpretierten sie die Situation auf der Grundlage der Letzteren. Mit anderen Worten: Sie konnten nun selbst entscheiden, ob sie zu spät kamen oder nicht. Das hatte die Kindertagesstätte natürlich nicht beabsichtigt.
Doch das war erst der Anfang. Das Interessanteste geschah nämlich wenige Wochen später, als die Tagesstätte das Bußgeld wieder abschaffte und damit zu den sozialen Normen zurückkehrte. Würden die Eltern dies ebenfalls tun? Würde auch ihr schlechtes Gewissen zurückkehren? Keinesfalls. Die Eltern verhielten sich wie vorher und holten weiterhin ihre Kinder zu spät ab. Ja, die Zahl derer, die in dieser Weise gegendie sozialen Normen
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