Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform]
unglücklichen Kaisersohnes Heinrich, vermittelnd und schützend in der gewaltigen Zerwürfnis zwischen Vater und Sohn auftritt.
Jetzt sehe ich die großen Fehler, die auch dieses Stück an sich hat, vollkommen ein, und bin durch eigene Er-fahrung von dem oft gehörten Satze überzeugt worden,
daß Frauenzimmer sich nicht auf den Kothurn wagen sollen. Schon damals hatte ich eine warnende Ahnung davon gehabt, und ich kann nichts zu meiner Recht-fertigung sagen, als daß es meines Mannes deutlich aus-gesprochener Wunsch und seine herzliche Freude an diesen meinen Arbeiten war, was mich bestimmte, mich zuweilen auf dieser gefährlichen Bahn zu ver-suchen.
Unter schweren Sorgen für das Gelingen des großen Kampfes um die allgemeine Freiheit des deutschen Vaterlandes, und wie oft unter Tränen arbeitete ich an diesem Heinrich von Hohenstaufen, und das lebendige Gefühl dieser Sorge sprach sich in den vielen Anspie-lungen auf die damaUgen Zeitumstände aus, wozu der Stoff Veranlassung bot und welche dies Stück, als es späterhin aufgeführt wurde, für ein Gelegenheitsstück, das eigens zu der Feier des i8. Oktobers gedichtet wor-den sei, halten machten. Dem war aber nicht so. Ich arbeitete fast den ganzen Sommer daran, und Gott sah meine und Millionen anderer Sorgen und Tränen an. Er erhörte die brünstigen Bitten, und so konnte ich, als das Stück aufgeführt wurde, wohl mit innigem Dank-gefühl sagen: Die mit Tränen säen, werden mit Froh-locken ernten'^^).
Begeisterung für die Sache des Vaterlandes hatte alle Stände, alle Alter in allen Teilen Deutschlands ergriffen. Freiwillig eilten Jünglinge aus jenen Reihen der Staats-bürger, die nie zum Kriegsdienste verpflichtet gewesen wären, zu den Waffen. Beamte verließen ihre Bureaus, um Teil an dem Kampfe zu nehmen, und vor vielen dünkte mich der Entschluß junger Ärzte lobenswert, sich dem Dienste der Kranken und Verwundeten in den Feldspitälern zu weihen. Unser Haus besuchten da-
mals zwei solche junge Männer, wovon der eine Dr. Ed^ Pohl, aus Sachsen gebürtig, seine Studien hier vollendete, und erst kürzlich als geschätzter Arzt und verehrter Fa-milienvater hier gestorben ist'^^). Der andere war ein junger Lief- oder Esthländer, Gust. Ad. Fichtner'^^) genannt, der sich durch seltene Bildung und durch feines Betragen vorteilhaft auszeichnete, dessen Her-kunft und übrige Lebensverhältnisse aber in ein ge-heimnisvolles Dunkel gehüllt waren. Wir nannten ihn auch unter uns im Scherze: das Kind der Ostsee. Diese beiden Jünglinge nun entschlossen sich, zur Ar-mee nach Böhmen abzugehen, und Dienst in den Feld-spitälern zu nehmen. Fichtner hatte, ebenso wie Kör-ner es in seinen Gedichten getan, in den Gesprächen mit uns seine Todesahnung ausgesprochen. Er hatte mich beim Abschiede gebeten, wenn er — wie er nicht zweifelte — sterben würde, seine kleine Büchersamm-lung als Andenken anzunehmen. Ich teilte, wie natür-lich, diese seine düstere Ahnung nicht, und so nahm ich, als er, der lebensvolle, blühende Mann, nebst Dr. Pohl gerade an den denkwürdigen Tagen 3es 25. und 26. August (an welchen nämlich unter unaufhörlichen Re-gengüssen, die auch in Wien herrschten, die Linien bei Dresden gestürmt wurden, der unglückliche Moreau seinen unpatriotischen Entschluß mit dem Leben büßte, die Schlacht an der Katzbach geschlagen worden, und der teure Körner bei Gadebusch gefallen war'^*) sich von uns beurlaubte — mit herzlichen Segenswün-schen für beider Wohl und mit der festen Hoffnung, sie beide wieder in Wien zu sehen, von ihnen Abschied. Kurz darnach kamen alle jene Nachrichten an, und ich beeilte mich, Pohl und Fichtner von dem traurigen Ver-lust des ausgezeichneten Dichters und werten Freundes
von beiden auf eine schonende Art zu unterrichten, ehe sie denselben durch Zeitungen erfuhren. Ach! noch reut mich, daß ich es getan; denn diese Nachricht war es, die vielleicht den letzten Ausschlag bei dem frühen Tode des guten Fichtners gab, so wie eben ein letzter Tropfen das zu volle Glas überfließen macht. Mein Brief war an Dr. Pohl gerichtet, mit dem ich in nähern freundschaftlichen Verhältnissen als mit Fichtner stand. Indessen teilten sich die jungen Leute gern die Nach-richten mit, die ihnen aus Wien und dem gewohnten Kreise, in dem sie heimisch gewesen waren, zukamen. Damals standen beide bei einem kaiserlichen Spital in Böhmen, und wenn wir den Mut der Kämpfer ehren, welche im Schlachtgewühl ihr Leben aufs Spiel setzen,
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