Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform]
das bei vielen einzelnen Schönheiten sehr barokke, sehr grelle Auftritte und Redensarten und manches mir eben auch Unverständliche hatte; wie ich denn über eine mystische Person, ein Mädchen, Trinitas, wenn ich mich recht er-innere, genannt, nicht recht ins Klare und zu dem ei-gentlichen Verständnis des Dichters gelangen konnte.
Indessen verbreitete sich die lange und ängstlich er-
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sehnte Nachricht: Österreich sei den andern gegen Frankreich oder vielmehr gegen Napoleon verbündeten Mächten beigetreten. Unser edler Kaiser hatte sein Vatergefühl das zweitemal bezwungen, wie es bei der Vermählung seiner Tochter zum erstenmal geschah, und ihrem Gemahl und dem Lande, dem sie nun ange-hörte, den Krieg erklärt. — Am 17. August wurde der Waffenstillstand aufgekündigt und die Furie des Krie-ges entfesselt.
Schon früher hatten Dichter und andere Schriftstel-ler, gedrängt von der traurigen Lage des gemeinsamen Vaterlands, sich erhoben und glühende Wünsche aus-gesprochen, daß die Deutschen sich ermannen, den al-ten Zwiespalt vergessen, sich vereinigen und mit ge-samten Kräften das fremde Joch abschütteln möchten. So hatte der kräftige Rückert seine „geharnischten So-nette" gedichtet'^^). So rief der edle Schenkendorf den Deutschen zu, sich unter ihrem ehemaligen Haupte zu sammeln, in dem schönen Gedichte:
Deutscher Kaiser! deutscher Kaiser! Komm zu rächen, komm zu retten, Löse deines Volkes Ketten, Nimm den Kranz, dir zugedacht! usw.'^)
Beinahe noch schöner und in ganz prophetischem Geiste gesungen war sein anderes Gedicht: Die Preu-ßen an der kaiserlichen Grenze.
Wir grüßen dich n^t Waffentänzen, Wir neigen uns an deinen Grenzen, Du klangreich Böhmerland! O Herr! im Schmuck der grünen Reiser, Wir rufen: Heil und Sieg dem Kaiser! Der deinen Sinn erkannt.
Der Geister Zorn versank in Aschen, Des Rächers Hand hat abgewaschen, Was widers Recht geschehn.
Nicht mehr nun trennt uns Süd und Norden, ' " Ein Lied, ein Herz, ein Gott, ein Orden! Ein Deutschland stark und schön.
Und dann in der fünften so wie in der letzten Strophe
die genau erfüllte prophetische Vorempfindung:
Wo halten wir die Siegesfeier? Wo wir die Lese halten heuer, Dort, bei des Rheines Kraft. —'^s)
Im Herbst kamen die verbündeten Heere an den Rhein,
und später nach Frankreich und der Schweiz, ans Ufer
der Rhone.
Wir sprengen Kette kühn auf Kette, Und hängen an des Rhodans Bette Den deutschen Eichenkranz.
Pünktlich erfüllte sich diese Voraussicht und bestätigte in mir den Gedanken oder das Gefühl, das manche Sprachen auch durch das Wort bezeichnen, daß im ech-ten Dichter etwas Prophetisches lebe; so nennt ihn der Römer: Vates.
Ich hatte einen schätzbaren Freund, den schon er-wähnten Baron von Merian, der in früherer Zeit auch Hormayrs Freund gewesen, und von diesem bei uns ein-geführt worden war. Seit i8io hatte er Wien verlassen, und war in Dresden bei der kaiserlichen Gesandtschaft angestellt. Wir wechselten fleißig Briefe, und Merian, der ebenfalls Deutschland und seine Freiheit mit war-mem Herzen umfaßt hatte, und dem es sehr leid tat, daß Österreich im Jahre 1812 ein Hilfskorps zu der französischen Armee gestellt hatte, verließ die kaiser-lichen Dienste und nahm eine russische Anstellung an, weil er, wie er mir schrieb, von Scythen und Gelonen das hoffte, was ihm die Deutschen nicht tun zu woUen
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schienen. Jetzt war auch er zufrieden gestellt, und da der Kurierwechsel in jener Periode sehr lebhaft zwi-schen Wien und Dresden war, hatte ich sehr oft, ja in manchen Perioden täghch einen Brief von Merian; aber auch manchmal was für wunderliche! Eines Mor-gens z. B. weckte man uns zeitig, und überreichte uns ein ziemlich konsiderables Paket, das ein russischer Ku-rier gebracht hatte. Pichler, den natürlicherweise jede Nachricht aus Dresden in jenem Zeitpunkte inter-essierte, erbrach schnell den Brief. — Was enthielt er? Einen kurzen, ziemlich gleichgültigen Brief und einen sorgfältig zusammengelegten Bogen Löschpapier, auf dem von Merlans Hand das Wort „Ballast" geschrieben stand. Merian hatte, wie er später schrieb, nicht Zeit gehabt, mir ausführlich zu schreiben; wollte doch ein Lebenszeichen, und dem Kurier nicht ein bloßes Billet mitgeben; so verfiel er auf jenen wunderlichen Gedanken des Ballasts, der aber im ganzen nicht wunderlicher war, als mancher andere, den er in seinen Briefen, und wohl auch in seinem Leben ausgeführt. Wie oft bekam ich, eben auf dem
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