Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform]
Arbeit in jedem Sinn gegen jede Einwendung in Schutz neh-men könnte. Er wollte gerne dem Publikum gegenüber die liebens-würdige Calpurnia als Hauptperson erklären, ihr alle anderen Personen unterordnen und alle Begebenheiten auf sie beziehen, um auf diese Weise „die Harmonie dieser Komposition aufs neue recht anschaulich" zu machen. Karoline Pichler wendete sich in ihrem Brief vom 9. November 1812 (A. Sauer a. a. O. I, S. 282 f.) gegen die Ansetzung der Calpurnia als Hauptperson, die übrigens auch der Fürst Ligne gerne als solche sehen wollte. Sie war be-treffs der Meinung über Calpurnia betrübt, denn es dünkte sie, daß Larissa Calpurnia doch an „innerm Gehalt und echt weib-licher Tugend" weit übertreffe. Larissa entsprach eben ihrem Ideal von der Frau, während die Männer an der freieren Calpurnia
mehr Gefallen fanden, was Pichler ahnte, da sie die Frage auf-warf: „Sollte diese (Larissa) wirldich so wenig liebenswürdig für das andre Geschlecht sein?" Daß Karoline Pichler Goethes „Spaße" so liebenswürdig aufnahm, dafür ließ er ihr am 26. No-vember 1812 durch Frau Cäcilia v. Eskeles seinen Dank über-mitteln (Sauer I, S. 287). Damit schÜeßen Goethes Beziehungen zur Pichler, wenn er sich auch September 1823 ihrer freundlich erinnerte (Sauer I, S. 392, Nr. 11). Außer dem „Agathokles" las Goethe 1812 noch Pichlers Roman „Sie war es dennoch" (Tage-bücher IV, S. 320: 12. September).
®'*) Goethes Torquato Tasso, I. Aufzug, i. Auftritt, Vers loi: „Du hast sie [die Bildung] doch und bist's am Ende doch." — Karoline Pichler zitiert, wie gewöhnlich, ungenau.
*'^) Johann (Klostername Ladislaus) Pyrker de Felsö-Eör (1772 bis 1847), ^^^ Ungar, trat Oktober 1792 ins Zisterzienserstift LiUenfeld ein. 1795 legte er die feierliche Profeß ab und Dezem-ber 1796 erhielt er die Priesterweihe. 1797 ist er Stiftsökonom, 1799 Kämmerer und Waldmeister, 1807 Pfarrer in Türnitz und am 15. Juli 181 1 Prior im Stifte. Letzteres war ein sorgenvolles Amt. Im Juli 1812 zum Abt seines Stiftes erwählt, war seine Prälatenzeit für das Stift eine segensreiche. Nicht nur, daß er durch Beschaffung von Geldmitteln die Brandschäden beseitigte, er legte auch verschiedene naturhistorische und andere Sammlungen an, vergrößerte den Besitz des Stiftes und wahrte dessen Rechte. Daneben war er vielfach dichterisch tätig. Infolge seiner Tüchtig-keit wurde er im August 1818 Bischof von Zips, 1820 Patriarch von Venedig und 1827 Erzbischof von Erlau, wo er die neue Kathedrale erbaute. Dem Stifte Lilienfeld blieb er auch weiter-hin in Liebe zugetan und fand seine letzte Ruhestätte dort. Von seinen groß angelegten Epen sind „Rudolf von Habsburg" und die „Tunisias" besonders hervorhebenswert. Vgl. P. Tobner, Lilienfeld 1202—1902. Wien 1902. S. 443ff.; Wurzbach XXIV, S. 115ff.; Goedeke -^ III, S. 769ff., 1253. — Karoline Pichler wurde mit Ladislaus Pyrker, obwohl sie ihn schon früher flüchtig gesehen hatte (oben S. 395), 1812 knapp vor der Abtwahl (8. Juli 1812) in Lilienfeld bekannt (oben S. 395, 397f.). Nun entwickelte sich zwischen beiden ein reger persönlicher und schriftlicher Ver-kehr. Noch im Herbst 1812 besuchte Pyrker die Pichler in Wien (oben S. 398), während diese in den folgenden Jahren (1815, 1816, 1818) wiederholt nach Lilienfeld kam (II, S. 79f., 89f., ii8ff.). Sie verwendete sich 1822 für den Druck einiger Gesänge der Rudolfias bei Therese Huber (II, S. 419 : 28), da ihr dieses Werk gefiel (II, S. 9). Als sie ihm Fouques „Zauberring" als Dank für die gastfreundliche Bewirtung in Lilienfeld übermittelte, be-
gleitete sie diese Sendung mit einem Gedicht (An den Herrn Abten Ladislaus von Lilienfeld, bey Übersendung des. Zauber-ringes: S. W.2 XVI, S. I33f.)5 in dem sie auf Pyrkers Tunisias hinwies. Zum Andenken an den Ausflug auf die Klosteralpe (1818) schenkte sie ihm ein Exemplar des Nibelungenliedes mit poetischer Widmung (vgl. II, Anm. 260). Über eine, zu Pyrkers Ehren statt-gehabte Soiree bei der Pichler (ca. 1835) vgl. L. A. Frankl, Eine Soiree bei Caroline Pichler. In: Die Presse, XV, (Wien 1862), Nr. 31 = Erinnerungen. Hg. von St. Hock, Prag 1910, S. io4ff.; der Aufsatz dürfte aber nur Fiktion sein.
676^ Neuere Forschungen ergaben, daß bereits 1322 Herzog Albrecht II. der Lahme mit seinem Bruder Leopold dem Glor-würdigen das Gelübde tat, wenn der Kampf gegen Ludwig den Bayer günstig ausgehe, ein Kloster zu Gaming zu errichten (vgl. Josef Lampel in; Topographie ■
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