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Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform]

Titel: Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: 1769-1843 Caroline Pichler , 1881-1925 Emil Karl Blümml
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Friedrich mit seinen glückhchen Waffen immer weiter vorwärts drang, bereits in Mähren stand und 01m ütz zu belagern anfing, da war am kaiserlichen Hofe eben die Zeit gekommen, auf eines der Lustschlösser zu ziehen. Es wurde also in den Kammern gepackt und zur Landfahrt zugerüstet. Meine Mutter war an den Koffern beschäftigt, um die Garderobe und täglichen Bedürfnisse ihrer Gebieterin einzupacken. Eben vor-
    her war die Schreckensnachricht von jener Belagerung gekommen. Ohne zu klagen, ohne sich weiter zu äußern, sagte die Monarchin, indem sie, durchs Zim-mer gehend, die Reiseanstalten betrachtete, zu meiner Mutter: „Nimm etwas mehr mit, vielleicht gehen wir weiter" 2^).
    Der Kurier von der Schlacht bei Hochkirch traf am Theresiatage, den 15. Oktober, hier ein, abends ziemlich spät, als schon die Prinzen und Prinzessinnen des kaiserlichen Hofes sich nach der Cour und Assemblee bei der Monarchin in ihre Zimmer zurückgezogen urid angefangen hatten, sich auszukleiden. Die frohe Sieges-botschaft wurde schnell von der Kaiserin in alle Kam-mern ihrer Kinder gesendet und wunderlich geputzt, — jene Erzherzogin mit den Edelsteinen im Haare, aber im Nachtkleide, diese im Reifrocke und Galakleide mit zerstörter Frisur; Prinzen halb in Uniform, halb im Hausrocke, kamen sie eiligst wieder in den Zimmern ihrer erlauchten Mutter zusammen, um ihr, nach der Feier des Namenstages, noch zu der Feier des Sieges Glück zu wünschen^').
    Während dieser und ähnlicher abwechselnden Szenen entspann sich das zärtliche Verhältnis meiner Eltern. Mein Vater hatte unterdes die Stelle eines Sekretärs bei der böhmisch-österreichischen Kanzlei erlangt2^, er durfte allerdings als Freier auftreten, aber ans Ziel seiner Wünsche zu gelangen, wollte ihm noch immer nicht gelingen. Schon sehr oft war die Hand meiner Mutter von glänzenden und auch von minder bedeutenden Freiern gesucht worden. Außer den persönlichen Annehmlichkeiten einer sehr zier-
    liehen Gestalt, anmutiger Gebärden und eines aus-gezeichneten Geistes, war auch die Aussicht auf be-sondere Gunst und Unterstützung von Seite der Monarchin, welche ihrer geschätzten Dienerin und Vorleserin, und um ihretwillen auch dem künftigen Gemahl nicht wohl fehlen konnte, ein Hauptreiz, welche Freier lockte. Aber sie alle, welche bei der Monarchin selbst, die in so vielem und würdigem Sinn Mutterstelle bei ihren Untergebenen vertrat, ihr Ge-such anbringen mußten, sahen sich bisher abgewiesen. Bei den meisten, ja fast bei allen, war meiner Mutter Herz gleichgültig geblieben. Nur einer, ein geborner Ungar 29), dessen Porträt sie noch lange Jahre nachher besaß, und dessen in Rousseaus Konfessionen^") als eines höchst interessanten und hebenswürdigen jungen Mannes erwähnt wird — hatte ihr Herz tiefer gerührt. Nicht bloß der Wille der Monarchin, auch ungünstige Verhältnisse in der Familie des jungen Ungars zer-rissen das Bündnis. — Er starb bald darauf; meine Mutter gedachte seiner nie ohne Rührung. Bei meinem Vater, der ihre ganze Achtung und innige Neigung erworben hatte, fürchtete sie ebenfalls, die Einwilligung der Kaiserin nicht zu erhalten. Diese hatte gegen jede Verbindung, welche meine Mutter eingehen sollte, etwas einzuwenden. Freilich ist wohl kein Bündnis, kein Verhältnis in der Welt jedem Wunsche und jeder Forderung so ganz gemäß, daß sich nicht mit mehr oder minderem Anschein etwas dagegen auf-bringen ließe. Bei der Monarchin aber mag wohl die Abneigung, sich von der so geschickten, so ver-schwiegenen und verständigen Dienerin zu trennen, deren Stelle nur schwer zu ersetzen gewesen sein würde, jenen abschlägigen Antworten zu Grunde ge-
    legen liaben. Meine Eltern mußten sich in Geduld fassen.
    Im Jahre 1765 reiste der Hof nach Innsbruck, um die Vermählung des zweiten Prinzen, des nachmaligen Kaisers Leopold II., mit einer spanischen Prinzes-sin^^) zu feiern. Für meine Mutter war diese Reise in ein gebirgiges Land eine ganz neue und sehr will-kommene Begebenheit. Sie freute sich der ihr fremden, wilden Natur, und manches romantische Plätzchen, manche schöne Einsamkeit regte in ihrer, allmählich des Hoflebens müden Seele, den Wunsch auf, an einer solchen Stelle sich selbst und ihren geheimen Nei-gungen leben zu können. — Der Kaiser Franz, ein noch kräftiger, blühender Mann, fand für seine Wiß-begierde und Liebe zur Altertumskunde viel inter-essanten Stoff an so vielen geschichtlichen und archäo-logischen Schätzen, welche

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