Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform]
Innsbruck, noch mehr aber das Bergschloß Ambras enthielt, woselbst sich damals noch die ganze merkwürdige Sammlung befand, welche dem Erzherzoge Ferdinand, dem Gemahl der schönen Welserin, ihr Entstehen verdankt und welche später, als Tirol auf kurze Zeit einer fremden Macht geräumt werden mußte (1805), hierher nach Wien transportiert und seitdem im k. k. Belvedere aufgestellt wurde^^).
Vorzüglich erfreute das Münz- und Antikenkabinett sich der Vorsorge und Aufmerksamkeit des Monarchen, der einen sehr tüchtigen und der ganzen Welt rühm-lich bekannten Gelehrten, Herrn Duval, zum Vor-steher desselben ernannt hatte. Duval habe ich noch gekannt und erinnere mich des langen, hagern, alten Franzosen recht wohl, der meine Eltern öfters be-suchte, von ihnen mit großer Achtung und Liebe be-handelt wurde und gegen uns Kinder so freundlich
Charlotte von Greiner
Anonyme Bleistiftzeichnung nach einer Miniatur Frau Irma Warmuth-Jancsö, Wien
war. Er war aber selbst im hohen Alter noch eine kindliche Natur, und er, der arme Hirtenknabe, der hinter seinen Schafen einhergehend und Bücher lesend, die er sich von seinem sauer ersparten Lohn kaufte, so von Kaiser Franzens Vater, dem Herzog von Lothrin-gen, auf der Jagd gefunden, befragt und aufgenommen uairde, den der Herzog dann studieren ließ, weil er dessen ungemeine Fähigkeiten erkannte — behielt noch bis ins späte Alter die ungetrübte Heiterkeit des Geistes, die unerschöpfhche Gutmütigkeit seiner Kindheit und Jugend bei 33). Meine Mutter Hebte er väterlich, nannte sie seine „Bibi" und unterzeichnete seine Briefe an sie immer mit dem, auf ein französisches Sprichwort (que 99 moutons et un Champagnard fönt loo betes) ge-gründeten Ausdruck: le suplement des 99 moutons ^^). — Er war aus'der Champagne gebürtig.
Um diesem,''seinem heben Duval, nun auch eine Ausbeute von seiner Reise mitzubringen^und das Wie-ner Münzkabinett zu bereichern, ließ skh Kaiser Franz die Schätze des Innsbrucker zeig^, und be-schloß, die Dubletten desselben mitzunehmen und da-für von Wien zu senden, was dem Innsbrucker fehlte. Aber damit war der damalige Direktor des Kabinettes in Innsbruck35) nicht zufrieden (seinen Namen zu nennen, wäre unbescheiden, aber die Anekdoten sind zu hübsch, um vergessen zu werden). — Mit nichten, antwortete er dem Kaiser, ich habe die Münzen auf meinem Inventar, ich muß dafür haften. Vergebens suchte ihn der Kaiser auf den wissenschaftlichen Stand-punkt zu stellen, von dem aus er einen solchen Tausch zu betrachten hätte — der gute Direktor hielt sich an sein Inventarium, bis endhch der Monarch, der merkte, mit welchem Manne er es zu tun habe, ihm
vorschlug, die auszutauschenden Münzen zu wägen und dem Innsbrucker Münzkabinette indes so viele (neugeprägte) Dukaten dazulassen, als jene Gold-gewicht hätten, bis sie durch die aus Wien zu senden-den ausgelöst werden würden. Das beruhigte den Direktor; er gab Goldgewicht für Goldgewicht und war nun überzeugt, seine PfHcht gegen die ihm an-vertrauten Schätze vollkommen erfüllt zu haben. Eine zweite Antwort, die derselbe gelehrte Mann meiner Mutter gab, dient zum Beleg jener ersten. Im Antikenkabinett, welches die Fräulein der Kaiserin auch zu besehen gekommen waren, fiel meiner Mutter ein Stück auf, das ihr nicht echt, keine wirkliche Antike zu sein schien. Sie äußerte diesen Zweifel gegen den gelehrten Herrn Direktor. O, mein Fräulein! er-widerte dieser, dies Stück ist gewiß antik — ich bin nun schon vierzig Jahre in diesem Kabinett angestellt und habe es bereits vorgefunden.
Das Beilager wurde gehalten, die Feierlichkeiten waren vorüber, der Hof dachte an seine Rückreise nach Wien, da ging am i8. August der Kaiser, von seinem ältesten Sohne, dem Erzherzog Josef, damals schon römischem König, abends aus seiner Loge im Theater, um in seine Gemächer zurückzukehren. Auf dem Gange hinter den Logen rührte ihn plötzhch ein Schlagfluß. Er sank in die Arme seines Sohnes und gab auf der Stelle seinen Geist auf. Dieser Sohn mußte der Überbringer der schreckhchen Nachricht an seine Mutter, an seinen Bruder sein, der einer Unpäßhch-keit wegen sich in seinen Zimmern gehalten hatte-'"). Hier zeigte sich's, wie meine Mutter sagte, welche tiefe,
innige Liebe Maria Theresia für ihren Gemahl hatte. Sie war ganz vernichtet, sie fand keine Tränen und ein krampfhaftes, gewaltsames Schluchzen, welches die ganze Nacht durch währte, erfüllte ihre Umgebung mit der
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