Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform]

Titel: Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: 1769-1843 Caroline Pichler , 1881-1925 Emil Karl Blümml
Vom Netzwerk:
Kaiserin behielt recht, das Kind war eine Erzherzogin, und Graf Dietrichstein mußte bezahlen. Da half er nun, im Geschmacke jener Zeit, sich mit einer sehr artigen Galanterie. Er ließ sein Bild in kniender Stellung von Porzellan verfertigen, und diese Gestalt reicht mit der einen Hand der Kaiserin ein Blatt, worauf folgende Verse Metastasios standen:
    Perdo, e ver, l'augusta figlia A pagar m'ha condannato, Ma s'e ver che a te somiglia, Tutto il mondo ha guadagnato 2*).
    Die ganze Idee, welche vermutlich von Metastasio herrührte, ist ebenso zart als schmeichelhaft, und macht seiner Erfindungskraft Ehre; dennoch kann man nicht umhin, wenn man sich jenes Geschenk lebhaft vergegenwärtigt, das porzellanene Figürchen, aller Wahrscheinlichkeit nach, weil es Porträt war, mit Staatskleid, Perücke und Degen, welches da kniend ein beschriebenes Blatt überreicht, komisch zu finden. Doch das Ganze zeigt den Geschmack und Ton jener Zeit, wo die schöne deutsche Literatur sich kaum mit ihren ersten Strahlen in Norddeutschland zu zeigen
    anfing, bis zu uns aber noch nicht gedrungen war, und alles, was las vind Sinn für Bildung hatte, bloß fran-zösische oder italienische Literatur kannte.
    Latein war die .vierte Sprache, welche in den Ge-schäftspapieren, die meine Mutter ihrer Monarchin vorlesen mußte, vorkam. Die Kaiserin verstand sie vollkommen, redete sie vielleicht auch mit ihren un-garischen Magnaten und rief ihnen in diesen Akzenten jenen unvergeßlichen Tag zurück, an dem sie, von den Mächten von halb Europa bekriegt und mit dem Ver-lust aller ihrer, von eben jenen Mächten garantierten Staaten bedroht, die schöne, junge, unglückliche Für-stin, den könighchen Säughng auf dem Arm, auf dem Reichstag ihrer treuen Ungarn erschien, sie zum Bei-stand aufforderte, und solchen Enthusiasmus in ihnen erregte, daß Greise und Helden begeistert und gerührt die Säbel zogen, und einstimmig, alle für ihren König Maria Theresia zu sterben, schwuren. Gar gern er-innerte sich die große Frau jenes Tages, wo sie den dreifachen Triumph: der verfolgten Tugend, des recht-mäßigen Königtums und der Schönheit gefeiert hatte ^s). Immer blieb sie der ungarischen Nation vorzüglich ge-wogen, und jener Anstrengungen, die sie damals machte, um ihr den Thron ihrer Väter zu erhalten, dankbar eingedenk.
    In dieser Sprache nun (im Latein) gab die Kaiserin selbst meiner Mutter die notdürftigste Anleitung, damit diese ihr verständlich vorlesen konnte. Vieles begriff meine Mutter durch das verwandte Franzö-sisch und Italienisch, das übrige erklärte ihr, soweit es nötig war, ihre Gebieterin. So las sie denn derselben viele Stunden und Stunden, besonders abends und nach dem sehr mäßigen Nachtessen, welches die Kaise-
    c. P. I.
    rin in ihren Zimmern allein zu sich nahm, die Ge-schäftspapiere ihrer verschiedenen Staaten vor. Diese Lektüre dauerte fort, nachdem die Monarchin sich schon entkleiden lassen und zu Bette gelegt hatte, und selbst dann noch, bis der Schlaf sie überwältigte. Dann erst bekam meine Mutter die Erlaubnis, sich zu ent-fernen.
    Wohl umgaben Glanz und Herrlichkeiten meine Mutter in ihrer Jugend, aber ihr Dienst war, wie man aus dem obigen sieht, nichts weniger als leicht, und manche Angewöhnungen der Monarchin machten ihn noch beschwerlicher. So z. B. konnte diese, als eine große, starkgebaute Frau, gar keine Wärme vertragen, wie sie denn überhaupt, trotz ihrer hohen Geburt und des königlichen Glanzes, der schon ihre Wiege umgab, in Rücksicht ihres Körpers nichts weniger als weichlich oder in ihren Gelüsten fordernd w^ar. Geheizt durfte bei ihr fast gar nicht werden, die Furcht vor Zugluft kannte sie nicht, sie wußte nicht, was ein Rheumatis-mus sei, und selbst im Winter stand oft ein Fenster neben ihrem Schreibtisch offen, durch das der Wind meiner Mutter den Schnee auf das Papier warf, aus welchem sie vorlas. Eine Anekdote mag zum Belege des hier Gesagten dienen. Die Kaiserin, welche wirk-lich fromm und eine Christin im edelsten Sinne des Wortes war, ging, solange es ihr körperliches Befinden erlaubte, jährlich mit der Frohnleichnamsprozession. An einem solchen Tage, als sie zu dem Ende von S.chönbrunn nach der Stadt gefahren war, kam sie gegen Mittag, furchtbar erhitzt und ermüdet von dem heißen Juniustage, von der Schwere und Größe ihrer Person und dem langen, meist der Sonne ausgesetzten Gange durch die halbe Stadt, nach Schönbrunn zu-
    rück. Sie ließ sich sogleich ganz entkleiden —

Weitere Kostenlose Bücher