Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform]
Die Zusammenkünfte wurden mit Klugheit und Vorsicht eingeleitet. Ein gemein-samer Freund, der gar zu gern Geistestätigkeiten dieser Art übte, wurde ins Vertrauen gezogen. Er ver-mittelte die geheimen Besuche, und erst lange darnach, als eben dieser allzu tätige Vertraute wegen anderer Verhältnisse Gefahr für sich selbst fürchtete, und seine
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Mitwirkung aufgeben mußte, erfuhren wir -öligen Freunde, nicht ohne Schrecken und inniger Mißbmi-gung, den wahren Stand der Dinge, daß nämlich Graf Chorinsky fest entschlossen sei, sich mit seiner Ge-liebten auch heimlich, auch wider den Willen seines Vaters, zu verbinden.
Zu tun, abzuwarten, zu hindern war nichts mehr; das sahen seine Freunde klar ein. Man ließ also die Sache ihren Weg gehen, nachdem man beiden noch einmal allen Kummer und alle Mißverhältnisse, denen sie sich unausbleiblich durch jenen Entschluß aus-setzten, vorgestellt hatte ^^'').
Wir standen jetzt im Jahre 1794. Die französische Revolution hatte indessen alle ihre Greuel entfaltet, der König und die Königin waren ermordet, Ströme von Blut in der Hauptstadt sowohl als den Provinzen geflossen; viele bessere Herzen, die im Anfang warm für die neuen Ideen geschlagen hatten, wandten sich mit Abscheu ab, als statt der jugendlichen Göttin der Freiheit ihnen eine bluttriefende Mänade ent-gegen taumelte. Klopstock sandte dem Konvent das Bürgerdiplom zurück, das er früher als eine ehrende Anerkennung angenommen hatte); der edle Georg Forster, den wir bei seiner Anwesenheit in Wien oft in unserm Hause gesehen, und den meine Eltern sehr liebgewonnen hatten, war vor Gram über seine ge-täuschten Erwartungen in Paris gestorben ^^^). Der Krieg, den die verbündeten Mächte gegen Frankreich begonnen hatten, brachte mit den Heeren der Repu-blik, die die Angreifenden zurückdrängten und ihnen auf dem Fuße folgten, ihre Vorstellungen von Frei-
heit, Gleichheit, Menschenrechten usw. mit sich her-über; der Schwindel ergriff die Geister jenseits wie diesseits des Rheins und entzündete verwandte Ge-müter auch in Österreich und Ungarn. Es waren ge-heime Verbindungen geschlossen, Katechismen der Freiheit unter den Mitgliedern verteilt, und noch sonst allerlei bedenkliche Bewegungen versucht worden, welche die Regierung aufmerksam machten. Plötzlich brach das Geheimnis hervor. In einer Nacht wurden sowohl hier in Wien als hier und dort auf dem Lande viele Personen ergriffen, ihre Papiere in Beschlag ge-nommen, sie selbst in strengere oder gelindere Haft gebracht. Dasselbe geschah in Ungarn. Wie ein Donnerschlag aus heiterm Himmel wirkte diese Nach-richt auf die lebensfrohen Wiener, die plötzlich aus ihrer Mitte eine bedeutende Zahl wohlbekannter und mit vielen befreundeter Männer gerissen, diese als Staatsverräter beinzichtigt, und einem sehr un-gewissen, vielleicht schrecklichen Schicksal entgegen-geführt sahen. Die Ergriffenen gehörten meist dem gebildeten Mittelstande an, es waren Beamte, Kauf-leute, Advokaten, Gelehrte — mit einem Worte, jenen Kategorien, aus denen auch in Frankreich viele bedeu-tende Männer der Revolution hervorgegangen waren. Im ersten Schreck wurden noch gar viele als arretiert genannt, die es nicht waren; denn die Bestürzung war groß und allgemein. Eine Kommission aus Mit-gliedern des Hofkriegsrates, der Polizeihofstelle und der Justizkollegien wurde zusammengesetzt, um über die Schuldigen zu erkennen, und nachdem die Unter-suchung ziemlich lange gewährt hatte, wurden einige zum Tode, andere zur Festung, wieder andere zu längerer oder kürzerer Haft verdammt, einige ver-
wiesen. Einer oder ein paar hatten sich im Gefäng-nisse selbst das Leben genommen. Worin ihr Ver-brechen eigenthch bestanden, was sie bezweckt, wie-viel ihnen davon schon gelungen, blieb stets mit dich-tem Schleier bedeckt. Manche, die sehr ängstlich oder entschiedene Widersacher aller neueren Ideen waren, überzeugten sich bald von der Ungeheuern Strafbar-keit dieser VerschWornen und ihren staatsgefährlichen Plänen, während andere, echte Frondeurs, denen alles mißfiel, was immer die Regierung tat, an gar keine oder nur höchst geringe Vergehen glauben wollten und der Meinung waren, man habe Schuldige finden wollen, um Schrecken zu verbreiten, und die Demo-kraten einzuschüchtern. Gemäßigte hielten dafür, daß zwar allerdings eine geheime Verbindung, die in Wechselwirkung mit der ungarischen unter Martino-vich stand ^^^), existiert, und daß sie bedenkliche, wohl auch
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