Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform]
der Wille der Vorsicht das Schicksal der Nationen in seine über-mächtige Hand gelegt hatte, mit Ländern und Völ-kern wie mit Spielmarken umging, die man heute diesem, morgen jenem zuteilen kann, um eine Weile
damit zu glänzen und sie bei dem nächsten Wechsel der Herrscherlaune wieder zu verlieren. Seitdem hat ein ungeheures Unglück dies bedauernswerte Land ganz um jeden Schatten der Selbständigkeit und Nationalität gebracht, den Kaiser Alexanders milde Gesinnungen ihm noch gelassen. In mir aber lebt der feste Glaube, daß es so nicht bleiben wird und kann, und die Vorsicht solche schreiende Ungerechtigkeiten nicht durch ihren Beistand sanktionieren kann. Polen wird einst, — ob bald, ob später weiß nur der Lenker unsrer Geschicke, und in der Weltgeschichte zählen ja die Jahre nur wie Tage — also Polen wird und muß sich wieder erheben, es muß wieder ein eignes, selb-ständiges Reich werden, das die kultivierten Staaten Europas als ein mächtiges Bollwerk gegen die Horden des nordischen Riesenreiches schirmen, den Weltteil vor einer zweiten Völkerwanderung und die Nationen germanischen und keltischen Stammes vor einer Unter-jochung durch Slaven bewahre, die das k, welches in ihrem Namen ausgelassen ist, durch ihre Denkart immer mit hineinbringen, drücken, wo sie können und kriechen, wo sie müssen. Und nur dann, wenn Polen hergestellt, die Nemesis gesühnt und Recht befriedigt ist, wird auch rechte Ruhe in Europa wieder'"*). Immer erfüllt es mich mit einer stolzen Beruhigung, daß schon vor sechzig Jahren (it is 60 years since) bei der ersten Teilung dieses unglücklichen Reiches, als Preußen und Rußland ihren schlimmen Plan entwarfen, Öster-reich, d. i. die Kaiserin Maria Theresia, diese wahr-haft große und christlichgesinnte Monarchin, nicht einwilligen wollte, wie ihr Billett an Fürst Kaunitz beweist, welches uns Baron Hormayr im historischen Taschenbuch bei Gelegenheit von Kaunitz Leben
mitteilt. „Ich fürchte, es werde ein übles Beispiel geben", schrieb die weise Fürstin iri prophetischem Geiste, und sie hatte richtig gesehen, wie der Erfolg bewiesen. Nur gezwungen gab sie endlich nach und schämte sich bitter dieser harten Notwendigkeit ^2*). Damals also, mehr als 20 Jahre später, fiel bei der dritten Teilung das sogenannte Westgahzien mit Krakau an Österreich. Viele Beamte fanden dort An-
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Stellungen, und Graf Chorinsky ward zum Kreishaupt-mann in Kielge ernannt ^2®). Fast zu gleicher Zeit gingen auch hier große Veränderungen vor. Graf Saurau, Graf Chorinskys Oheim, wurde Regierungs-präsident ^^°), mehrere ältere oder mißfällige Räte und Sekretäre wurden jubiliert, und, wie denn das so oft in der Welt geht, das Mißgeschick jener (an dem wir übrigens auch nicht die entfernteste Schuld hatten) wurde der Grund unseres Glückes,
Pichler erhielt die Stelle eines Regierungssekretärs ^^^) und war durch den damit verbundenen höhern Rang und Gehalt imstande, an unsere Verbindung zu denken, da meine Eltern (um mich nicht aus ihrer Nähe zu verlieren) uns eine sehr ausgiebige Unterstützung ver-sprochen hatten. Es wurde also eine kleine, aber sehr nette Wohnung, welche gerade an die meiner Eltern, „auf der Mehlgrube", grenzte, und mit jener das ganze Stockwerk ausmachte, für uns gemietet, die wir im nächsten Herbst beziehen sollten. Unsere Vermählung aber war auf den Frühling 1796 festgesetzt und sollte in unserer Gartenwohnung zu Hernais gefeiert werden, wo wir auch den Sommer über leben wollten.
Chorinsky nährte dieselben Hoffnungen und Pläne wie Pichler. Auch er war entschlossen, das Mädchen, das er liebte, Sophie Mertens, zu heiraten, da aber
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sein Vater diese Verbindung nicht zugeben wollte, sollte die Trauung ganz in der Stille sein, acht Tage vor der unsrigen, und so sahen denn wenigstens zwei Paare der Jugendfreunde froh dem Ziele ihrer Wünsche ent-gegen, wie vor zwei Jahren Dürfeid mit seiner Therese, nur daß leider dies Band seitdem schon wieder zerrissen worden war. Therese hatte ein überglückliches Jahr, vom Mai 1794 ^^^ zum Juni 1795, mit dem trefflichen Gatten gelebt; sie hatte Hoffnung, bald Mutter zu werden. Wir sahen uns oft bei meinen Eltern im Garten oder auch in Theresens Wohnung in der Stadt'^^). Gegen den Zeitpunkt, wo jene Hoffnung erfüllt werden sollte, bemerkten ich und viele, welche die junge schöne Frau sahen und Anteil an ihr nahmen, daß sich ihre Züge in etwas geändert hatten, ohne daß man eben sagen konnte, sie
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