Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben
54 Jahren unverbrüchlicher Anhänger dieser »Bomben-Musik« (Werner Vasek, 27.10.2011), gleichermaßen renitent als Bayreuth-Besucher ein für allemal ab. Und weil ich schon dabei bin, verzichte ich ab der Zwangseinführung der Digitalisierung zum 1. Mai 2012 auch ein für allezeit aufs Fernsehen; und möglichst auch noch möglichst große Teile der Tages- und Wochenpresse; schon um nicht doch noch in Versuchung zu geraten, dort über das nachtrierische Bayreuth mich nochmals lesend oder schreibend ein- und auszulassen. Lo giuro!
Und falls ich aber meinen Schwur nicht halten muß, weil das von irgendwoher gesteuerte Wunder passiert, daß in Bayreuth alles wieder besser, ja gut wird, so soll es mich auch freuen. Weil dann mein Freund und Gastroenterologe und Wagnerianer Dr. Eberhard Meier im festspielhausnahen Bürgersreuther Hof erneut drei Flaschen Wein auf einmal in Bestellung geben wird. Nimmer aus Schmerz, sondern, wie schon mal so schön, aus unverwässert hemmungsloswagnerianischer Freude. Jaaawohl!
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Nicht ohne Reiz andererseits ist, sich vorzustellen, wie Giacomo Puccini mitsamt seinem bayerischen Baronesse-Gspusi auf der im neuen Jahrhundert schon fertiggestellten Pegnitz-Eisenbahnstrecke nach Bayreuth zu den dortigen Festspielen gebrummt war. Schöner, sich zu vergegenwärtigen, wie der fraglos fähigste aller Wagner- und zumal »Meistersinger«-Adepten dabei von Nürnberg über (etwas seitwärts) Altdorf und Etzelwang-Neidstein bis Bayreuth praktisch ununterbrochen durch »Meistersinger«-Landschaften ratterte. Am schönsten aber, oberhalb der Pegnitz-Bahnstrecke im Haus des spätmeistersingerlichen »Hersbrucker Drucker«-Chefs Michael Gölling und seiner Frau Gertraud zu sitzen und Pegnitz-Forellen zu verspeisen – solche, die Puccini inmitten seines Reisestresses gerade nicht zur Verfügung hatte! Sondern nur als Opfer seines eigenen Fraueneroberungswahns die seltsamliche Baronesse.
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»Übrigens waren sie alle etwas unsicher in der Beurteilung ihrer Macht: und ob ihnen denn jetzt auch wirklich alles oder nur manches erlaubt war.«
Das von mir in Roman und Essay mehrfach zitierte, schöne und den bekannten Nietzsche-Volksmund vergenauernde Wort aus Dostojewskis »Der Idiot« hatte in jüngerer Zeit seine aktuell veritable Ausprägung, ja Epiphanie nicht allein in gewissen hinterbayerischen Teppichbodenhändler-Szenerien. Bei der CSU unter Strauß stellte sich die gleiche hybrishafte Gesinnung oft, zumal um 1975ff. herum und auch noch später, kraftvoll ad infinitum aus, ja frech und freudig zur Schau. Heute, nach der nicht allzu konturierten Zäsur der Jahrtausendwende, tritt sie auf als nur noch geringfügig gehemmte Beutelfüllerei bei Manager- wie auch nur Intendantengehältern und anderen Gehaltlosigkeiten. Und sie begleitet als leise Bangigkeit, als ein letzter leiser Zweifel das gleich hemmungslose Treiben unsrer Herren Regietheateresel (Frauen, mit Ausnahme von Berghaus, halten sich erstaunlich zurück – vorerst noch?) bei ihrem jetzt weltweiten und verheerenden, ja gottlosen Schauspiel- und vor allem Operngemache und -gegrabsche und -gegrunze. Ich kenne den beklagenswerten Zustand nun seit 1966, habe den Herren lange genug zugeschaut und mich auch im Prinzip damit abgefunden, daß es da kein Zurück, sondern nur noch ein besinnungsfreies Über-Gräber-Vorwärts gibt – andererseits halte ich doch noch immer dafür, daß es für die verantwortlichen Haderlumpen wenn schon nicht wegen Unzurechnungsfähigkeit schweren Kerker, so doch eine eindringliche Prügelstrafe setzt. Und aber im Oktober 2009 war ich jenseits aller vertrauensvoll prätendierten Gerechtigkeit inner- wie außerweltlicher Art doch nah dran, anläßlich eines bestialischen, nein, eines pestilenzialischen »Lohengrin« im Münchner Nationaltheater nach dem Schlußvorhang ein scharfgestochenes »Scheißdreck!« zur Rampe hoch zu plärren. War’s Feigheit, die mich abhielt? Nein. Sondern natürlich Correctness gegenüber Wagner, der das ja mißverstehen könnte; Contenance mir gegenüber; und Courtoisie gegenüber jenen hunderten dämmernden alten Operndamen, die man beim Hätscheln ihres Lieblingstenors Kaufmann doch weder stören noch mit der allfälligen Folge von Gewissensbissen brüskieren durfte.
So geht auf der Welt nie was vorwärts. Weder mit einer befreiteren Politik; noch wenigstens mit der Oper.
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Ein gewisser Ernst Grobsch, teilt H. Böll in seinem letzten Romane »Frauen vor Flußlandschaft« mit,
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