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Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben

Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben

Titel: Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eckhard Henscheid
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alles völlig autonom und frei und von den Sinnschichten des Werks ad libitum fern und beliebig – Regie macht mit den Werken grad, was sie will, braucht sie allerdings noch als Folie und nämlich Publikumseinfänger. Wenn aber nun der Opernfunktionär Holender dies Regietheater vorsichtig zurückweist, weil es nur die (Werk-) Kenner bediene und die Neueinsteiger aber ratlos zurücklasse, dann irrt er sich um genau 100 Prozent: Kenner (in Ihrem Fall Wagnerianer oder Wagner-Aficionados) sind allzeit kopfschüttelnd desperat – die Greenhorns aber in ihrer Linkischheit begeistert, weil sie jetzt nichts mehr Genaueres wissen, weil sie ab sofort nur noch »spannend!« krähen müssen; weil nämlich das Opernregietheater bloß unentwegt die heute allseits ackernde Ahnungslosigkeit des akuten Fun-Event-Publikums heiligspricht. Daß diesem damit sinniger Zugang zu den Großkunstwerken ein für allemal und lebenslang versperrt, vermüllt, versaut bleibt – für die heute weltweit walkenden staubigen Brüder und Spitzbuben Regiemacher umso besser, denn diese Abstauberbagage ist meist, alles was recht ist, annähernd genau so ahnungslos – und die Herzchen im Festpielhaus, wenn sie die Erbaulichkeiten an Neu- und Nonsens, den kläglichen Regisseurseinfallsquatsch, den z.B. im Fall Neuenfels immerzu richtig betäubenden Sinnramsch über sich ergehen lassen, selten ahnen sie, welche »Welthirnjauche« (Karl Kraus) sie da gegen hohe Bezahlung einsaugen. Wenn im nicht allein Bayreuther Regietheater Hans Sachs eben kein braver Nürnberger Schuhmacherpoet mehr ist, sondern z.B. Hitler. Oder Obama. Oder, ist ja gleich, Bin Laden. Oder halt vielleicht Beckenbauer. Und im »Tristan«, wie stets bei Marthaler, irgendwelche Verdammte egalweg die Schiffswände hochkrabbeln, und keine Menschenseele weiß, warum – Opernbesucher aber sind zu derlei und mit Ihren, Wagners, Worten zu reden heute offenbar »auf ewig verdammt« (Tannhäuser, 3. Akt).
    »Wehe, wehe« (Rheingold, 1. Bild), »wehe der Schmach« (Siegfried, 3. Akt)! Was, Wagner, könnte diesem »Wahn, Wahn« (Meistersinger) noch wehren, des »Weltenwahns Umnachten« (Parsifal) werweiß doch noch kurz vor Mitternacht zu enden, ehe eine Siemens-Audi-Deutsche Bank-Promotions-GmbH unterm Panier Katharinas in Bayreuth noch vollends alles an sich reißt, als Werkeverwerter und Werteverwichser jenen Wahn froh weiterzuwuchten? Was, Wagner, hören wir da brummen und brodeln aus Wahnfrieds weihlicher Walhallgruft? All dies, dies Alt-Neubayreuther grauslichgaukelnde Geckentum jucke Ihn so oder so schon lang nicht mehr, ebenso wenig wie ein all die Wehsal überwindender neuer Wonnemond? Wie der »Walküre«-Wotan wünschte Er sich ja jetzt hinsichtlich des Grünen Hügels und seines Geweses und Gemaches und Gegammles nur noch das Eine: »Das Ende, das Ende!«
    Ja dann.
    Willig und wehrlich wabern wir’s weiter.
    *
    »Stets Gewohntes nur magst du verstehn«, weist Wotan im zweiten »Walküre«-Akt die konservative Fricka-Gattin zurecht, »not tut ein Held!« – und der aber sollte, eingedeckt zudem mit dem dauerzitierten scheineinschlägigen Wagner-Passepartout »Kinder, macht Neues!«, akkurat der tote Schlingensief oder wahlweise der schon jahrzehntelang halbtote Neuenfels sein oder gewesen sein? Ein Held, der da ledig und schutzlos wie der gemeinte Siegmund oder wahlweise Siegfried Bayreuths Grünen Hügel zum aberdutzendsten Male neu ergrünen lassen möchte wie demnächst, was man so las, weil’s wurscht ist, evtl. u.U. jetzt Wim Wenders oder neuerdings sogar Frank Castorf unterm Protektorat der beiden Urenkelinnen? Nein, wenn einer dazu getaugt hätte, dann der vor etlichen Jahren für den neuen »Ring«-Zyklus schon fest gebuchte Filmregisseur Lars von Trier, der da mit nur kleiner Verspätung bei einer sogenannten Pressekonferenz am 18. Mai 2011 in Cannes seine Wagner-Tüchtigkeit im Sinne der Überwindung des stets Gewohnten verkündete, indem ihm dies heldisch Neue weit übers übliche Regietheatergegurke hinaus zu der ungewohnt mondsüchtigen Erkenntnis gerann:
    »Okay, ich bin Nazi!« – jawohl, dieses überzeugende Retour zur wahrhaft wagnerischen Natur hätte uns womöglich gefrommt, dieser harmvollste aller Geisteshelden hätte uns mit Neuest-Bayreuth wieder versöhnt. Nachdem das dortige Management aber irgendwie grob versagt und geschlafen hat und sich von Lars einen Korb hat überbraten lassen, danke auch ich ab heute, 21. Mai 2011, wiewohl seit

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