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Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben

Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben

Titel: Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eckhard Henscheid
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und im Verbund mit ihrer Halbschwester Eva Wagner-Pasquier die Neuest-Bayreuther Geschäfte zu führen sich jetzt angeschickt hat.
    Höchstverehrter Richard Wagner, wo er recht hat, hat zwar nach wie vor sogar Ihr alter Leib-Feindfreund Friedrich Nietzsche recht, wenn er als früher Festspiel-Pilger darauf besteht: »Irgendwann sitzen wir alle in Bayreuth zusammen und begreifen gar nicht mehr, wie man es anderswo aushalten konnte« – und im Kern gilt das heute immer noch, 134 Jahre nach der von Ihnen, Wagner, erwirkten Errichtung jener Festspiele 1876; zumal in diesen meist schon gar zu glutheißen Hundstagen zwischen dem 25. Juli und dem 25. August, wo man es als zweitbeste Lösung höchstens noch in einem (Nietzsche allerdings verhaßten) Biergarten z.B. gleich hinterm Festspielhaus aushalten kann –
    – allein, ewigverehrter Bayreuther Meister Wagner, muß das nun wirklich alles sein, diese noch über die neueren Untaten namens Marthaler-Schlingensief-Katharina-Neuenfels hinaus und weit zurück weisenden Opernregie-Unholdereien der letzten fast 60 Jahre? Mußte es? Soll es so enden nach der Wiedereröffnung 1951 mit den ja spätestens seit Hitler immer besonders verdächtigen Wagner-Spielen? Mit dieser, Festspielerfinder Wagner, ganzen Hohlheit, Obskurität und Afterkreativität, mit deren leider auch hinsichtlich Ihnen, Wagner, herrschenden Ahnungslosigkeit und Kunstferne bei gleichzeitigem und fortschreitendem Opportunismus als der räudigen Überanpassung an allerlei trübseligen Zeitgeist?
    Gut, es gab da 1951ff. nach den Gründer- und den Nazijahren die sog. »werktreuen« Neudeutungen im sog. »Neu-Bayreuth« – es gab einen abstraktionsseligen Wieland Wagnerischen »Ring des Nibelungen« und seine szenisch minimalistischen, gänzlich butzenscheibenfrei fliederduftsüchtigen »Meistersinger« – alles würdige bis passable Dinge, auch wenn Wielands typische Lichtdome gar nicht so modern-revolutionär waren, sondern auf die Ästhetik der Reichsparteitage Albert Speers im Verein mit der des wielandfördernden Hitler zurückgriffen.
    Und immerhin, es hatte ab 1976 Patrice Chéreaus spektakelhaft umdünstete »Ring«-Neudeutung, eine sympathische, nur leicht verwirrte und überkandidelte und allzu beflissen überschätzte Regietat; die, zu Ihrer Nach-Information, Wagner, keineswegs von Morddrohungen tückischer und aber mehr chimärischer Alt-Wagnerianer begleitet war; sondern in einer Art sich fortzeugenden Selbstheiligsprechung durch ein schieres Wort-Mißverständnis bis heute zum offenbar ewig maßstabbildenden »Jahrhundert-Ring« hochgeschwätzt wurde, wo eigentlich bloß das Gedenk-Ereignis eines »Centenar-Rings« (1876/1976) gemeint war. »Die Züge des Wahnsinns«, welche Sie, Wagner, in Ihrer Großschrift »Oper und Drama« 1852 vor allem mit der modernen ersteren Kunstgattung zu erwittern meinten: womöglich kamen sie jetzt erst mählich und über moderate Narreteien von Götz Friedrich und Harry Kupfer bis Claus Guth so recht auf den Punkt. Und grundierten den Schlaf der Gerechten, der Festspielverantwortlichen und mit dem Wachtwechsel Wolfgang-Katharina immer Unverantwortlicheren; zum meist allzu leisen Zorn und Gram der überdurchschnittlich kundigen und doch mit langsam schwindender Bedarftheit antretenden und unter all dem geduldig seufzenden Bayreuthianer –
    Und nun also zuletzt der entgeisterte und seinerseits entgeisternde Stiefel der Schlawiner Marthaler-Schlingensief-Neuenfels, der immer wahlloser operierende Deutungs-Stuß vonwegen Parsifals Voodoo-Kulten mit Nahtoderfahrungen sowie Elsas bösen hominidischen Nagetieren, vom Regisseur endlich visionär erschaut und weit böser als Ihr Lindwurm Fafner. Möglicherweise, Wagner, müssen wir Ihnen hier zu Ihrer Unterrichtung ein bißchen was über das Ihnen, zu Ihrer Zeit, noch völlig unbekannte, ja unverstellbare sogenannte (Opern-)Regietheater erzählen.
    Zumal sogar ein aktueller und gewiegter Profi, der resignierte Wiener Staatsopernintendant Ioan Holender, seiner soeben erschienenen Autobiografie nach zu schließen, nicht so ganz genau weiß, was das ist – wie übrigens die meisten Kritiker und Befürworter und sonstigen Mitquakler auch nicht. Es hat dies Regietheater wenig mit dem schon um ca. 50 Jahre älteren abstrahierenden, politisch aktualisierenden, »entmythologisierenden« usw. Operntheater zu tun; sondern so um die Jahrtausendwende herum hat das Ganze definitiv Sargnägel mit Köpfen gekriegt: Jetzt ist

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