Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben
z.B. am 10. Dezember 2010 auf der Weißwiese bei Eglsee sieben Kinder nach Schulschluß bei glitzerndem Sonnenschein im tiefen Pulverschnee mit ihren Schlitten herumwackeln und -kugeln, nicht anders als im Jahr 1550 auf den Bildern von Pieter Breughel und dann wieder 1840 auf den Federzeichnungen von Ludwig Richter sowie 1950 bei mir, in meiner Kindheit, dann – dann wird vielleicht doch noch alles, alles wieder gut.
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Irgendwo in den »Minima Moralia« erklärt sich Adorno, etwas übertrieben, die damals modernen amerikanischen Flachbauten-Bungalow-Chalet-Häuser mit der habituell faschistoiden Hirnstruktur ihrer Bewohner, jederzeit abrufbereit auf dem Sprung sein zu wollen. Dies Prinzip der »jederzeitigen Erreichbarkeit« (Klaus Gasseleder) hat aber erst in Handy, Fax und E-Mail seine pervertiert selbstfesslerische Erfüllung gefunden. Natürlich besitze ich deshalb nichts dergleichen und werde nie besitzen.
Internet-Zugang, Facebook, Chatroom, Google, Homepage, Smart Phone, iPad etc.:
Nein, dann halt doch lieber aktives Mitglied im »Dachverband der Ewiggestrigen« (Welt im Spiegel 1/1975), Arbeitsgruppe der vorne schon gewürdigte »Kampfbund für entschiedenes Muckertum«.
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Anno Domini 2010: Die Freude an apokrypher, an konfuser, an im Grunde unverständlicher Literatur nimmt nochmals zu. R.P. Goffine, Christkatholisches Unterrichts-Erbauungs-Buch, Regensburg-New York-Cincinnati 1884, S. 505:
»O Gott, der Du den heiligen Matthias Deinen Aposteln beigesellet hast, wir bitten Dich, verleihe, daß wir durch seine Fürbitte Deine innigste Vaterliebe gegen uns allzeit erfahren, durch Jesu Christum.«
Also, wie war das nochmals? Man bittet Dich, o Gott, den heiligen neuernannten und beigesellten Apostel Matthias zu ersuchen bzw. zu ermächtigen, daß dieser wiederum Fürbitte für uns bei Dir und Deiner innigsten Vaterliebe einlegt; was aber als tertium nur wieder über Deinen Sohn geht.
Mit anderen Worten: Gutding fünf chimärisch-fiktionale bzw. ätherische Spiritualitäten auf 3,5 Zeilen. Sehr gutes Einspielergebnis.
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»Als Maria, die Mutter Jesu, mit Joseph vermählt war, fand sich’s, ehe sie zusammenkamen, daß sie empfangen hatte vom heiligen Geiste« (Matth. 1,18., zit. nach Goffine, a.a.O., S. 510).
Das »fand sich’s« ist schon sehr präzis, fast dichterisch. Aber auch die etwas wirren Tempusrelationen haben es, find ich’s, in sich’s.
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Zum 1.1.11 in ihrer Fernsehneujahrsansprache pries die Kanzlerin Merkel das deutsche Volk, weil es immer so »früh pünktlich aufzustehen« nach wie vor bereit sei.
Wahrlich, ich aber stecke euch, in Deutschland, in diesem »glanzreichen Land« (Madame de Staël, Über Deutschland, 1814) als dem »Vaterland des Denkens« (ebd.) ist einiges jetzt erst zur Erfüllung gekommen. In der Fülle seiner ganzen Frechheit. Rechnet man hierher auch noch das von Madame zitierte Jean Paul-Wort, Deutschland sei das »Gebiet der Luft«, dann – stimmt’s ja aber doch wieder, und wahr bleibt für uns bis ans Ende aller Tage, was R. Heß bereits im Jahre 1938 aller Welt zu verstehen gab: »Der Herrgott hat unser Volk ausgezeichnet vor anderen Völkern«, genau.
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Hingegen nun wiederum der berühmte Kolumnist Jan Fleischhauer am 31.1.2011 via »Spiegel Online«:
»Das Kriegshandwerk ist mit der Käßmann-Kultur, in der man vorzugsweise mit dem Herzen denkt und anderen mit ganz viel Verständnis begegnet, nur bedingt kompatibel« –
Usw. Aber so flott der neueste Seich unseres momentan flexibel-kompatibelsten Sprücheklopfers auftrumpft, er hat wie immer unrecht. Und sein sowieso gedankenlos hinausgehauenes Wort wird niemals Fleisch ansetzen. Weil die der grausen Exbischöfin kann nun mal ex definitione keine Kultur sein. Und kommt deshalb nicht einmal in meine inzwischen auf gut 1300 Exemplare ausgedehnte Kulturen-Sammlung.
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Zwar, es bangt mir ja vermutlich nicht mal allzu heftig vorm werweiß nicht mehr gar zu fernen Ableben und Hinscheiden; und auch, obwohl das Heldenmütige kaum meine wesentliche Begabung sein dürfte, überrieselt mich noch keine Angst vor Krankheit und Sterben. Aber ein Anderes und bisher von der Todeswissenschaft wohl noch zu wenig, ja gar nicht gewürdigtes und beackertes Feld setzt mir zu, bekümmert, ja bedrückt mich beinahe schon und macht mir Herzeleid: In der Stunde meines Todes werde ich keineswegs, wie einer meiner Romanhelden vor dem erinnerten Hintergrund des Kinderreligionsunterrichts es will, klüger sein;
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