Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben
aktiv für die lokale und regionale hansjochenvogelhafte Sozialdemokratie; vor allem aber war er anstoßgebend, süchtig nach intellektuell lebhaftem Leben und zumindest partweise auch intelligent, gescheit. Was er, nicht unähnlich mir selber, mit einem erschwerten Stand am Pennal zu bezahlen hatte – damals triumphierten dort, wohl etwas massiver als heute immer noch, die Streber und Schleimer und lebenslangen Kleingauner.
Überlegen war mir, selbst mir, Meiller aber ebd. an z.T. schon rücksichtsloser, selbstgefährdender Frechheit, an vollends unverhofften Methoden, Schule und Lehrer, wenn schon nicht abzuschaffen, so doch immer stärkstens zu brüskieren. Wer mitten im Brüten über der besonders gefürchteten und tatsächlich auch sehr schweren Mathematik-Schulaufgabe (Trigonometrie, Geometrische Örter usw.) unvermittelt und buchstäblich wie aus heiterem Himmel in das stumm versammelte Lehrer-Schüler-Forum hinein
»Zillertal, du bist mei’ Freud,
Zillertal, da hack ich heut«
laut und kraftvoll zu singen anheben vermag: der legt im nachhinein sogar noch für die greise Schnarchsackpartei SPD eine gewisse Ehre ein; der Meiller, wie ich, allerdings erst sieben Jahre später anzugehören sich entschloß.
Daß Dieter Meiller häufiger inmitten des Vorabiturunterrichts mit mir oder alleine aus der Schule in ein nahes Kornfeld ging, um dort ein beschauliches Bier zu trinken und z.B. etwas Sartre zu lesen; um dann irgendwann so nonchalant sich gebend ins Klassenzimmer zu returnieren, daß die verblüfften Lehrer, obwohl Unrat witternd, wie hilflos nicht mal wagten zu fragen, wo er, Meiller, eigentlich herkomme: Dieses für die fünfziger Jahre außergewöhnliche Wagstück sei ihm gleichfalls nicht vergessen.
Er war auch der erste unter den siebenhundert Schülern, der die Lehranstalt mit den damals unerhörten Bluejeans beschritt und bestritt – mit der sehr lichtvollen Begründung, mit diesen könne man sich »wälzeln, wie man will«.
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Am 5. Mai 1955 wurde der Bundesrepublik im Rahmen von sog. Pariser Verträgen untersagt, sog. ABC -Waffen (meine Vermutung: Atom-Biologie-Chemie oder sowas) herzustellen. Das habe ich damals gar nicht mitgekriegt; noch, ob und wie der junge Franz Josef Strauß darüber und dagegen aufgeheult hat; genaugenommen weiß ich nicht mal mehr, ob ich an jenem Tag wenigstens onaniert habe; mit immerhin 131/2 scheint mir das recht wahrscheinlich; und, obwohl es damals noch verboten war, alles, was recht ist, freute es mich heute noch.
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Schon im Jahre 1951 war ich beinahe unvermeidlich zur halb parachristlichen, halb protomilitärischen katholischen Jugendgruppe »Neudeutschland« ( ND ) gestoßen; die nichts mit der beinahe gleichnamigen vollsozialistischen Zeitung zu tun hatte, viel aber mit ideologieübergreifender Zeitlosigkeit. » ND -aktiv« hieß damals eine Quasi-Elitebewegung und -sektion innerhalb der Gruppe bzw. des Gesamt-»Bunds« – genau sechzig Jahre später preist sich mir eine Oberpfalz-Fichtelgebirgs-Schienenstrecke als »Vogtland aktiv« an, meint: Man kann von ihren Haltepunkten aus schwerstens aktiv werden; wandern oder sonstwie rummachen; wie damals bei ND auch.
Allerdings, die entscheidenden Sätze dazu hatte bereits ein Vierteljahrhundert früher, ich glaube exakt 1984, der schon deshalb unsterbliche comicfigurale Eisverkäufer Ed von Schleck in die Menschheitsgeschichte eingemeißelt: »Schlecken, schieben, äcktschen, das bringt sätisfäcktschen!«
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Freilich auch Erhard mit seiner dies vorbereitenden Losung von Ende der Fünfziger Jahre »Wohlstand für alle« sah mich sofort an seiner Seite und auf dem Damm. Denn schon ab 1957 wurde von mir, der sich ansonsten mehr der Musik und dem Klavier zugewandt hatte, ins Kaufmannswesen eingegriffen, dazumal insbesondere in den Erdbeerverkauf; nämlich an vier lokale Kaffeehäuser, die dem Erhardschen Wohlstand offensichtlich schon durch unentwegten Erdbeertortenbedarf und -verzehr Tribut zollten; während mein neuer kleiner Wohlstand allerdings nicht auf die hohe Kante gelegt, sondern sofort dynamisiert wurde: durch ungebremsten Schallplattenkauf im Zuge meines noch jungen Klassik-E-Musik-Fiebers. Was dann, von mir wohl schon erahnt, später gewaltige Rendite eintrug in Gestalt vieler Musikbücher, Musikartikel und Radiosendungen. Welche mich nicht allein innerlich, sondern auch sparkontenmäßig steinreich machten. Und die Menschheit, die mir lauschte, obendrein.
Die Erdbeeren aber pflückte ich
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