Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben
förderimpulsbedürftigen Robert Gernhardt zählte.
Und das, dieses Double, soll ihm, Bruhn, erst mal einer nachmachen.
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So in fast jeder Weise heiternd und manchmal skurril die Erfolgsgeschichte des Romans (und der sich anknüpfenden Trilogie) – leider nur von einer so klugen wie besonnenen bzw. belehrbaren Minderheit von Lesern, ich schätze drei von hundert, ward übers allgemeine vom Roman ausgelöste Heimatgefühl hinaus die Mehrbödigkeit, die innere Struktur, die geheime und auch wieder nicht gar zu geheime Faktur und also das richtige Lesemodell lesend verifiziert. Wie ähnlich bereits bei Dostojewski, vornehmlich im »Jüngling«-Roman, ist der Motor des Romans das wie bescheuerte reale oder auch mentale Hin- und Herschwirren des (Ich-) Erzählers, sozusagen quer durchs verfügbare Personal, durch die Stationen der ihrerseits soziologisch nicht so ganz nachvollziehbaren Gesellschaft. Die Suggestion nimmermüder Dynamik, ja Gehetztheit und Anteilnahme: des Erzählers wie in der Verlängerung der seiner Sozietät; Anteilnahme an allem und jedem.
Wie beim hierin vorbildlichen Russen wird in den »Vollidioten« dies voll und ganz pathisch nimmermüde – humoristische, lächerliche und lachenmachende – Herumkurven durch das offene oder verborgene, quasi lang verheimlichte Eingeständnis von Reglosigkeit, Desinteresse des angeblich allseits anteilnehmenden Personals, Desinteresse eventuell auch des Chronisten selber, konterkariert, relativiert; Walter Benjamin hat einmal, und als einer der wenigen, scharfsichtig erkannt und beschrieben, wie ausschließlich diese permanente Exaltiertheit halbwegs wahnsinnig Gewordener den Typus Dostojewski-Roman trägt und befördert: Alles, Benjamin stark verkürzt, wird dem Leser so lange und inständig aufgeschwätzt, bis er glaubt, was eigentlich in etwelcher Realität gar nicht sein kann.
Hier wie dort wird in gewisser Weise zudem schon aus Gedächtnis-Wahrscheinlichkeitsgründen ziemlich klar – müßte es werden –, was der Erzähler für ein im Grunde wieder einfaches Vexier- und Trickspiel betreibt. Daß da gewaltig wirbelndes und als solches beneidenswertes Leben prinzipiell ja nur am Schreibtisch stattfindet; bestenfalls in der beschwörenden Erinnerung, meistens aber als reine Fiktion, als mehr oder weniger reine Lüge: um das besagte »Leben« zu schaffen, was wiederum dem Buch fiktional und dann sogar real zum Verkaufserfolg bei täuschungsbereiten Lesern verhelfen soll; um, wie es im analogen Einleitungskapitel des folgenden Romans »Geht in Ordnung« einmal ohne Scheu heißt, eine »literarische Karriere« zu starten und vorwärtszutreiben – wie der »Vollidioten«-Erzähler mit Drive sein so biederes wie verschlagenes, vermunkeltes Erzählwerk.
Gelesen wurden die »Vollidioten« zu Beginn manchmal schon völlig falsch als Schlüsselroman über eine damals neugierig machende Frankfurter Satire- bzw. Kulturmitmischerszene. Nicht ganz so daneben lagen jene, die sogar mit einem gewissen Neid sich von der tobenden Turbulenz der suggerierten Frankfurter Wirrwarrswoche irreführen ließen – sekundenweise war vielleicht sogar der Autor selber darunter. Dabei wäre im Extremfall, wie auch bei den späteren Romanen der Trilogie, sogar das Lesemodell denkbar und streckenweise nachweisbar, daß ein etwas vereinsamt-sonderlinghafter Erzähler »in Wirklichkeit« gar nichts »erlebt« hat. Sondern sich alles »Leben« nur ausdenkt. Als Gestaltidee seines zu tätigenden Buchs, wie sogar als am Schreibtisch zäh praktizierten Lebensersatz.
Bei den »Vollidioten« hat man es am plausibelsten mit einem Mixtum zu tun, das von der planen Erinnerung an Frankfurter Einzelabläufe bis zur formgebenden Leser- und Selbstbeschwörung die Hand sich reicht. Dies Schillern, diese Simulation, diese Formambivalenz, diesen Trick zu durchschauen, dürfte eigentlich für willige Leserhirne nicht gar zu schwer sein – es sollte, müßte am Ende sogar das Lesevergnügen forcieren. Tat es aber wohl schwerlich und allzu selten. In einer literarischen Öffentlichkeit, in der, lang vor Pisa-Bologna-Internet usw., nicht allein nichtprofessionelle Normalleser kaum geneigt sind, zwischen einem bürgerlichen und z.B. einem lyrisch-epischen Ich zu scheiden, sondern dies auch erhebliche Teile der Literaturkritik nicht können noch wollen (seit meiner entsprechenden »Raben«-Kritik der Kritik von 1984 hat sich da nicht viel verändert), wäre das Verlangen, solche Rezeptionshürden
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