Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben
allem freundlicher, ja sympathiewerbender Kurzerzählungen unter dem Titel »Von der Schönheit unserer Schutzleute« aus dem Jahr 1972.
Und das war damals in der überlagernden Optik wie im schieren Wortgebrauch neu und beinahe schon tapfer. Man kann sich die Einfalt, die ohnmächtige Stupidität der damals linkskollektiv obrigkeitsfeindlichen Seh- und Rede- und Empfindungsweisen heute gar nicht mehr stupid und einfältig genug vorstellen. Auch wenn neuere zeitgeschichtliche Spielfilme und Dokumentationen davon ebenfalls ein aber mehr unfreiwilliges Zeugnis ablegen. Die Meinhof beispielsweise redete und schrieb in ihrer aktiven Zeit, im Knast und auch außerhalb schon, mindestens 2850mal von »Bullen«. Ob sie sich dabei auch nur einmal irgendwas gedacht hat? Geahnt hat wenigstens die ästhetische Unzulänglichkeit ihres widersinnigen Geschmarres?
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»Natürlich, die Bullen sind Schweine« (U. Meinhof, Juni 1970 und ähnlich manches andere Mal mehr). Nicht nur von heute aus gesehen einleuchtend, daß sprachempfindsame Menschen auf derartigen Wort- und Metaphernkollapsenunflat hin bereits zu Zeiten von Baaders Revolution idiosynkratisch zusammenzuzucken sich oftmals gezwungen sahen – und schon damit der ganzen Sache nicht allzu sympathisierend oder wenigstens anteilnehmend zur Seite standen. Gleichwohl merkwürdig, über die Maßen merkwürdig, welch eine geringfügige Rolle die damals großspektakulären und die Welt vielleicht aus den Angeln hebenden, heute bei Aust oder Willi Winkler nachlesbaren, nach 1971 beinahe täglichen terroristischen Vorgänge unter den Signen » BM «, » RAF «, »Kommando 2. Juni«, später z.B. auch »Revolutionäre Zellen« usw. für mich, aber auch für andere beruflich und politisch Nahestehende damals spielten, real und im öffentlichen und Alltagsleben – wie recht vage und blaß sie auch sogar in meinem sonst noch guten Gedächtnis sediert sind.
Ich wüßte heute und wußte zu jener Zeit kaum, weder jetzt in der Erinnerung noch damals aktuell, welch zahlreiche und wahrhaft einschlagende terrorrevolutionäre Erschütterungen zumal ab Mai 1972 in der Bundesrepublik fast täglich statthatten; obschon ich in Frankfurt quasi danebenwohnte, meine Logis ganz in der Nähe der qua Torheitsballung gleichfalls von einem Bombenanschlag heimgesuchten sogenannten linken Frankfurter Rundschau hatte. All das, und obwohl ich dem politisch-satirischen Journal ja weiterhin assoziiert war, spielte, wohl anders als die noch eindrücklichere zweite Mordserie von 1976/77, in unseren sonst ganz agilen Köpfen offenbar keine oder kaum eine Rolle – inbrünstig bewegt haben uns im Mai 1972 mit Sicherheit der Brandt-Barzel-Mißtrauensvorgang und, fast heftiger und anhaltender noch, Netzers Glanzauftritt beim 3:1 in Wembley.
Die hafteten und halten noch heute in der Erinnerung.
Waren wir, gerade wir vermeintlich Nahestehenden, von Blindheit geschlagen? Von einer etwa gleichzeitig sich zutragenden »Vollidioten«-ähnlichen Weltwahrnehmung geblendet? Oder traten die immerhin auf summa summarum 65 BM/RAF -Tote sich eskalierenden Dinge doch viel weniger kompakt, weniger aufmerksamkeitserzwingend auf, als sie sich in der von Bedeutungssuggestion lebenden Chronik darstellten und heute noch, weiter verblassend, darstellen?
Parallelwelten? Die in kaum einer Verbindung standen?
An die Gefangennahme Baaders in Frankfurt am 1.6.72 habe ich keine nennenswerte Erinnerung. Aber auch die kurz nach der Baaders erfolgte Verhaftung Ensslins und dann die Meinhofs, diese immerhin schon großmedial realisiert und nämlich achtmal am gleichen Tag im Fernsehen zu beobachten (Winkler, S. 212) – all das ging ganz offensichtlich an mir/uns nachdrücklicher vorbei, als ich es von heute aus wahrhaben möchte. Erst das spätsommerliche PLO -Olympia-Massaker »Schwarzer September«, mit den BM -Komplexen nur mäßig korrelierend, das grub sich wieder tiefer ein; immerhin kaum weniger tief als Rosendahls und Meyfahrts und Wolfermanns Goldmedaillen und der ganze restliche Sportschamott.
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Die nicht ganz unbeträchtliche Lebens- und Erfolgsgeschichte meiner frühen Romantrilogie, der damals halb gegen meinen Willen häufig und etwas mißverständnisträchtig auch sogenannten Trilogie des laufenden Schwachsinns, also der Romane »Die Vollidioten«, »Geht in Ordnung – sowieso – – genau – – –« und »Die Mätresse des Bischofs« (1973/77/78): sie wurde da und dort (z.B. Werkausgabe Band 1 und 2,
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