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Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben

Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben

Titel: Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eckhard Henscheid
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persönlich ziemlich untadelige Gesellen: Martin Walser, Wolfgang Hildesheimer (der sich allerdings vom Brotneid auf seinen Freund Max Frisch beschädigt zeigte), Hermann Lenz (ein großer Frühstücksgastgeber vor dem Herrn und ein sogar glaubwürdig großmütiger Sichkleinmacher). Böll blieb mir erspart, gottseidank auch Arno Schmidt – sein Schüler Hans Wollschläger: ein Sonderfall. Ab 1983, in der Folge seiner beleidigt-läppischen Reaktionen auf meine »Im Puff von Paris«-Geschichte, sah ich mich genötigt, ihn meist nur noch als »Willi Wüllenweber« zu erwähnen, was dann einige Unbefugte, ohne mich, wenigstens, zu fragen, nachahmten. Das Ganze war aber da keineswegs schon Wollschläger-Wüllenwebers schlimmstes Mal. In Anbetracht der fortgeschrittenen Zeit und meiner stark gestiegenen Erkenntnisse fand ich es tunlich, ein in Sympathie und Bewunderung geschriebenes Portrait von 1976 bei der ein doppeltes Lustrum späteren Buchfassung mit dem Zusatz zu versehen: viele Perspektiven und Einsichten seien heute für mich nicht mehr richtig – im Klartext: es sei gewissermaßen kein Wort wahr.
    Das fällt natürlich erst einmal auf mich zurück, auf meine Dummheit. Er hatte mich hereingelegt, sogar mich. Der im Mai 2007 mit 72 Jahren Verstorbene war kein Genie, sondern ein genialer, ein genial unverfrorener Geistesgauner, ein von seinen Gutgläubigen komplett überschätzter Scharlatan. Immerhin: einer der gewieftesten, gerissensten – ja, ein erhaben einzigartiger Fall. »Die Dummheit des Publikums« (Schiller an Goethe) und zumal die der kritisch-journalistischen Instanzen, wie sie da alle sowieso mehr vom Hörensagen als vom Hinschauen und Nachdenken leben, sie vermochten es, daß ein Werk, das im wesentlichen nur als Chimäre, als Gerücht und Legende und Suggestion seiner selbst bestand, sozusagen ins Blaue hinein gefeiert, auf Verdacht in glatterdings eisige Ewigkeitshöhe gehoben und entrückt wurde. Am Ende – am biologischen, eins des Werks gab es ja nicht, bloß einen Werkplan mit m.W. zweiundvierzig Bänden! – am Ende glaubte er ja noch in einer raren Art von Autosuggestion selber dran. Sich selber austricksend, seinem sich dem schieren Dussel verdankenden Behagen noch eherner hinzugeben.
    Er war eine interessante, eine längere Zeit verführerische, eine multiplex ambiguische, eine letztinstanzlich vollkommen gewissenlose Person. R. möglichst i.P.
    *
    Allerdings stellte auch der vorhin gewürdigte H. Böll keineswegs so eingleisig das Feindbild, wie das manchem vorkommen mochte, zumal nach meiner scharfen »Raben«-Invektive von 1991 und den sich daran anknüpfenden Gerichtsvorgängen bis 1993 (alles leicht nachzulesen z.B. in der Werkausgabe Band 9, Literaturkritik). Im approximativen Gegenteil war bis ca. 1972 der Kölner und spätere aberwitzige Nobelpreisträger auch für mich nicht nur Vor- und Inbild politischer Integrität, für linken Fortschritt; sondern auch Maßstab, fast Vorlage für die eigenen langsam sich abzeichnenden Romanbestrebungen. Mit Romanen wie »Ende einer Dienstfahrt« oder »Gruppenbild mit Dame«, ja leider sogar mit ausgerechnet »Ansichten eines Clowns«, in Wahrheit einer seiner verlogensten Säkulartorheiten, stand mir Böll damals noch gewissermaßen Pate und für meinen eigenen Gewinn ein, desgleichen mit den tatsächlich nicht üblen sog. Satiren »Nicht nur zur Weihnachtszeit« und »Doktor Murke«; obwohl bereits, Gernhardt (Vorlesungen zur Poetik, 2001) hat recht, um 1958 das Ganze partiell geschwindelt und bauernfängerisch war, denn so »gott«-reich wie Prof. Bur-Malottke sprach ab 1955 kein Dichter und auch kein gottverlassenster Literaturprofessor und Feuilletongangster mehr. Und auch kaum ja zu glauben, daß die dreihunderttausend Einwohner der Hauptstadt Bonn nichts so sehr juckte wie die sündhafte Passion zwischen Marie Derkum und Hans Schnier, dem Clown, von dem aber trotzdem nie klar wird, was er eigentlich genau ist: Bahnhofs-Chansonnier, Clown, Rastelli, politischer Kabarettist, Radaubruder, Conférencier, Gesellschafts- und Kapitalismuskritiker oder eventuell doch nur Klampfenspieler.
    Was auch immer, ich vermute, es war damals, 1991/92, der Hauptgrund meiner Attacke, mir selbst ins Wort zu fallen, meine alte und allzu gute Fehlmeinung beschämt und aber jetzt schleunigst zu widerlegen. Aber von solchen Feinheiten haben natürlich der Leserpöbel, die sowieso überforderten Juristen und zumal der Böll-Clan, der kunstmalende Sohn

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