Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben
vorgezogene Preiswursteln den Festredner, den vor Zustimmung allzu brav tremolierenden Laudator; er, der deutlich und eindeutig in jedem Betracht, als Zeichner wie als Reimer, buschnaheste, ja buschnächste, evtl. sogar buschnächststehendste unter all den denk- oder auch undenkbaren Kandidaten. Ehe das Hannoversche Schnarchsackgremium endlich auf die vermutlich eingeprügelte Idee kam, Bernstein notfalls halt selber mal zu dekorieren.
Die allesamt ähnlichen Beispiele ließen sich mühelos verzehnfachen. Was mich selber seit etwa 1980 dabei allzeit noch kopfschüttelnder verwunderte als die immerhin denkbare Möglichkeit, daß Bernstein da einem Gelübde, einer Selbstbestrafung gar nachkam, das war die Beobachtung: Daß selbst seine nicht wenigen Fans und Bewunderer diese Sonderlichkeit so gut wie nie merkten. Bernstein machte es ihnen allerdings auch nicht leicht. Denn immer wieder wie aus Bosheit nahm er dann doch auch mal einen Preis o. dgl. entgegen; veröffentlichte er manchmal sogar ein Buch, ohne den Verleger dafür zu bezahlen.
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Mag schon sein, daß der späte Gernhardt ein rechtschaffen heikler, sogar seltsamer Fall war, auch krankheitsbedingt wurde, nämlich ab dem quasi verschleppten Herzinfarkt von 1996, dieser immerhin denkbar als Spätfolge des Ablebens seiner ersten Frau Almut; welchem Infarkt sich wohl so eine Art Trotzphase bis hin zum Ausbruch der Krebserkrankung anschloß: Diesem doppelt fahlen und doppelt unverdienten Schicksal ein Jetzt-erst-recht entgegenzustemmen. Was für manche zumal Frankfurter Freunde und Nahestehende mehr als tunlich in mitunter recht vergrämender Rechthaberei, Platzhirschentum, Überheblichkeit und vor allem in schon verwerflich hemmungsloser Eitelkeit sich äußerte, z.B. in stark übertriebener Fernsehpräsenz, in Betriebsauflaufpenetranz – auf oftmals inadäquater, unwürdiger Ebene und in einigermaßen bescheuerter Massierung.
Eine Art Torschlußpanik? Eine gleichsam spirituelle Nervosität angesichts der besagten ungerechten Fatalität? Im Grunde war und ist es von heute aus restlos gleichgültig, was Gernhardt tat und was ihn, in vielen jüngeren Gedichten nahezu klartextlich bezeugt, betrieblich umtrieb. Auch wenn es für manche das Bild nachhaltig verdüsterte. Denn fast jedes seiner Gedichte vor allem vor ca. 1987 und auch noch nachher heiligt jegliche persönliche Zwielichtigkeit oder entschuldigt sie. Später darüber mehr. Und Gründlicheres.
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Gar nicht verkehrt, wenn ein Autor – von Romanen, kaum von Lebenshilfebüchern – zuweilen nicht allein wegen seines passablen Satzbaus, sondern auch in seiner sozialhygienischen, ja volksgesundheitlichen Funktion gelobt sich findet. Mir passierte das nicht so selten, ein paarmal bedankten sich sogar aus Afrika herauf und Amerika herüber berufstätige und dort seelisch vereinsamte und verhärmte oder sonstwie eingetrübte Leser für ihre survivalfördernden Romanlesestunden – bei Archivarbeiten im eigenen Heime finde ich einen Brief vom 9. März 1982, dankend dafür, »daß Sie mir schon mehrmals das Leben gerettet haben«.
Am 9. März 1982, entnehme ich meinem damaligen Notizheftchen, war ich selber ziemlich schlecht drauf, und niemand scherte sich um mich. Zu dieser Zeit kam es aber auch noch öfter, wenn auch gottseidank nicht gar zu andauernd, vor, daß bei mir unbekannte Personen und Persönlichkeiten, Angeschlagene, Weggetretene oder auch wirklich Kranke und Kränkelnde, telefonisch (»Hier ist der Gerd, du!«) um Rat oder auch bloß um Geschwätz nachsuchten. Meines Wissens tat ich da stets mein Bestes und Aufopferungsreichstes, manchmal hatte das zur Folge, daß diese etwas Labilen und wenig Nachdenklichen auch zur Unzeit anriefen oder auch während meiner Abwesenheit. Und dabei im Fall der Amberger Logis auf meine Mutter trafen und diese bequakelten, ein paarmal früh um 5 Uhr. Es sei der längst toten Frau hier dankend bestätigt, daß sie, ohne die Kalamitäten des Autorenberufs in seiner Sozialkomponente zu durchschauen, sich hier vorbildlich verhielt, zuweilen eine halbe Stunde stehend am Telefon verharrte, den verwirrten Schäflein gut und sinnig zuredete (wie ich später von beiden Seiten erfuhr) – und m.W. zumindest einmal einer zum Schuljahrsschluß recht ausgedörrten, stress- oder auch promillegeplagten Lehrerin wohl gleichfalls »das Leben gerettet hat«.
Das sei, nicht ohne Verbeugung von meiner Seite, hier einmal festgehalten.
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Im Juni 1990 entnimmt man dem
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